Internationales

alt22.01.2013:  Heute finden in Israel Parlamentswahlen statt. Dabei sieht es so aus und wird von vielen erwartet, dass die traditionell das Parlament beherrschenden Parteien an Einfluss verlieren, jedoch eine neue Rechte davon profitieren und Gewicht gewinnen wird. HaBayit HaYehudi (Jüdisches Heim) heißt diese neue Partei, welche insbesondere durch ihren Anführer, Naftali Bennett, einen Schwenk in der politischen Landschaft Israels mit sich bringt, der wegen seiner unverhohlenen Bedrohungen der palästinensischen Nation und dem wachsenden Zulauf dieser neuen Rechten Beachtung verdient.

"Bennetts Aufstieg dokumentiert den Rechtsrutsch in der israelischen Gesellschaft - und das Mitte-links-Lager hat dem wenig entgegenzusetzen. Die Arbeitspartei, die einst unter Rabin und Peres für den Friedensprozess mit den Palästinensern stand, hat dieses Thema nun fast komplett gemieden. Unter der neuen Vorsitzenden Shelly Yachimovich, einer früheren Fernsehjournalistin, wurden soziale Themen wie die steigenden Lebenshaltungskosten und die exorbitant hohen Mieten in den Vordergrund gestellt. Um einen Anschluss an die Sozialbewegung zu finden, die im Sommer 2011 bei Großdemonstrationen mit Hunderttausenden Teilnehmern der Regierung zugesetzt hatte, wurden einige der damaligen Protestführer auf aussichtsreiche Listenplätze befördert. Doch zu mehr als einem zweiten Rang mit 15 bis 18 Sitzen wird es den Umfragen zufolge [bei der heutigen Wahl wohl] nicht reichen", schrieb die Süddeutsche Zeitung in der letzten Woche.

In den vergangenen Jahren hat sich Israels politische Landschaft in mehreren Wellen nach rechts entwickelt. Die erste Welle kam mit der Rückkehr von Benjamin Netanjahu in die Regierung des Landes als Ministerpräsident (2009), eine weitere war das Aufkommen von Avigdor Lieberman als die Stimme des extremen Zionismus. Bennett hat jedoch das Potenzial, die beiden vorgenannten noch zu übertreffen.

Netanjahu wurde von Freunden und Gegnern gleichermaßen stets als ein bestechlicher Politiker angesehen, besessen auf die jeweils jüngsten Meinungsumfragen achtend und wie ein Blatt im politischen Wind. Lieberman dagegen wurde gleichermaßen überall als schwerfälliger, typisch russischer Anführer gesehen, der sich seine Regeln selbst gibt und sich nach Art eines Elefanten im Porzellanwarenladen in der Politik bewegt. Seit er unter dem Druck einer Betrugsanklage sein Amt als Außenminister unter Benjamin Netanjahu vorerst aufgeben musste, schwand die Wählerzustimmung zu dem von beiden geführten Likud-Beitenu-Block und garantiert letzterem wohl nur noch weniger als 40 Sitze in der 120-köpfigen Knesset.

Bennett jedoch beeinflusst durch eine viel anziehenderes Erscheinungsbild, wenngleich seine Politik mindestens genau so rechts gerichtet ist, wie die von Netanjahu oder von Lieberman. Er praktiziert eine wirksame Kommunikation und erscheint als jemand, der gewillt und fähig ist, mit einem viel breiteren Spektrum der israelischen Gesellschaft, ja sogar der weltweiten Öffentlichkeit rational zu sprechen, während er doch unverrückbar an seinen Zielen und Idealen festhält. Er verbreitet um sich eine Aura der Ehrbarkeit, eines Mannes, der sagt, was er meint und der meint, was er sagt. Bennett, der sein Geld als Entwickler von Sicherheitssoftware machte und mit dem Verkauf seiner Software-Firma 145 Millionen Dollar verdiente, ist sprachgewandt und intelligent und erscheint als ein typischer, bürgerlicher Israeli der oberen Mittelklasse. Und doch ist er der Mann, der dem sogenannten "national-religiöse Lager" Israels nach Jahren einer obscuren Existenz in der politischen Landschaft wieder zu neuer Prominenz verhalf. Und aktuelle Wahlprognosen besagen, dass das 'Jüdische Heim' mit 12 bis 15 Sitzen als drittstärkste Kraft ins neue Parlament einziehen wird.

Einst, in der Vergangenheit, nahm das national-religiöse Lager in der Politik Israels eine Schlüsselrolle ein. Aber in den letzten Jahren musste es seinen Platz ultra-orthodoxen Parteien überlassen, und die national-religiösen zionistischen Kräfte wurden zwischen kleineren, extrem rechts gerichteten und religiösen Parteien sowie dem Likud-Block zerrieben. Nun ist das Wiederaufkommen einer starken national-religiösen Partei ein bemerkenswertes Ereignis. Sie ist ein Pendant zu dem, was man in den USA oft als "moderne Orthodoxe" bezeichnet: religiöse Juden, die zwar häufig gestrickte Kippas tragen, jedoch keine Bärte haben oder andere markante Kennzeichen der Ultra-Orthodoxen benutzen und sich ansonsten kleiden und aussehen wie jedermann. 

Zur Gemeinschaft der modernen Orthodoxen in den USA gehören einige der leidenschaftlichsten Unterstützer der Politik Israels, und - was bedeutender ist - einige der einflussreichsten und politisch erfahrensten. Zur Zeit steht für die us-amerikanischen rechtsgerichteten Juden die Unterstützung von Netanjahu noch an erster Stelle. Falls jedoch Bennett in Israel in den Bereich eines möglichen Amtes als Ministerpräsident aufsteigen sollte, wäre sein Auftretensstil von noch größerer Anziehungskraft in den USA als der Netanjahus.

Solch ein Aufstieg Bennetts ist - wenngleich wohl nicht kurzfristig - sehr gut möglich. Denn er besitzt die Fähigkeit, die Rechte in Israel hinter sich zu einigen in einem Maße, wie Natanjahu und Lieberman es nicht vermögen. Avigdor Lieberman etwa war nicht nur in Skandale verwickelt - bis hin zum Zwang der Aufgabe seines Ministerpostens - anti-religiöse Elemente seiner Politik haben ihn großen Teilen der religösen Rechten entfremdet.

Bennett spricht sowohl die säkularen, als auch die religiösen zionistisch orientierten Israelis an und seine ökonomischen Ansichten - gewerkschaftsfeindlich, extrem Unternehmerfreundlich, kleiner Staat - haben in solchen Kreisen ebenfalls breite allgemeine Anziehungskraft. Seine Überzeugung, dass Israel sich von der US-Militärhilfe allmählich befreien muss, spricht ebenfalls lang schon bestehende, jedoch bisher nicht offen politisch aussprechbare Stimmungen der israelischen Rechten an.

Bennetts Partei ist vielleicht und durchaus religiös, aber er selbst hat sich von religiösen Angelegenheiten fern gehalten und befürwortet eine Art säkular-religiöser Gemeinschaft, die einen größeren Bereich der Gesellschaft Israels zusammen bringen könnte. Er machte ein paar Schlagzeilen, als er sich gegen 'Homo-Ehen' in Israel aussprach, aber im Ganzen gesehen sind das keine Themen, auf die sich seine Partei orientiert. Das hilft der religösen HaBayit HaYehudi, auch säkulare Israelis anzuziehen. Und nicht nur das ist der Partei von Bennett gelungen, sie hat sogar säkulare Kandidaten auf Spitzenplätze ihrer Wahllisten gesetzt.

Eine wirklich neue Erscheinung ist die, dass Bennetts Partei HaBayit HaYehudi die Jugend Israels einfängt. Die junge Generation in Israel nimmt heute eine stärker nationalistische Haltung ein, als ihre Vorfahren. Sie wurde in der Zeit des Oslo-Abkommens groß oder sogar erst geboren, und hat überwiegend die Meinung entwickelt, dass eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern unmöglich ist. Und genau das ist die Kernbotschaft, mit der Bennett auftritt.

Bennett behauptet, dass das Maximum dessen, was Israel den Palästinensern geben kann, immer noch beträchtlich weniger ist, als das, was die Palästinenser hinzunehmen bereit wären. Damit spricht er nicht nur Zustimmung gegenüber den Befürwortern einer Ein-Staat-Lösung unter Israelis und Palästinensern und ihren Unterstützern in aller Welt aus, sondern auch eine Ansicht, die von vielen Unterstützern einer Zwei-Staaten-Lösung  geteilt wird, welche zunehmend bezweifeln, dass eine solche Lösung überhaupt noch möglich ist. Auch diesbezüglich hat Bennett einen Weg gefunden, breite Kreise der israelischen Gesellschaft anzusprechen und an sich zu binden.

Konkret fordert Bennett vor allem die Annexion der C-Gebiete im Westjordanland. Das sind etwa 60% des Territoriums, sie stehen unter der vollständigen und ausschließlichen Kontrolle der israelischen Besatzer, und in ihnen leben annähernd 350.000 jüdische Siedler. Den in diesen Gebieten noch lebenden etwa 50.000 Palästinensern - zig-Tausende wurden in den Jahren der Besatzung seit 1967 vertrieben - würde man eine Art eingeschränkter israelischer Staatsbürgerschaft anbieten, wie sie derzeit den Palästinensern in Israel zugestanden wird. Falls dazu keine Bereitschaft bestünde, könnte man ihnen den rechtlichen Status geben, den die Palästinenser in Ost-Jerusalem haben (wie bekannt kein besonders guter 'Handel' für die Palästinenser Jerusalems). Bennett verspricht auch, dann freie Passagen für die Palästinenser zu allen Orten der "arabischen West-Bank" zu schaffen, also ohne die Passagen durch israelische militärische Kontrollpunkte.

Naftali Bennett bezeichnet diese Pläne als "vorläufig" - sie müssten noch im Detail ausgearbeitet werden. Aber die Umsetzbarkeit seines Plans im Detail ist nicht das Wichtigste. Das liegt in der Eröffnung einer Zukunft Israels, die das Oslo-Abkommen offen und entschlossen beiseite schiebt. Viele Israelis verstanden von Beginn an, dass Benjamin Netanjahus Bekenntnis zu einer Zwei-Staaten-Lösung in seiner berüchtigten Rede an der Bar-Ilan-Universität nach seinem Wahlerfolg im März 2009 nichts anderes als ein Lippenbekenntnis war. Aber er hat niemals offen eine Alternative oder auch nur den Ansatz dazu als strategischen Plan formuliert. Naftali Bennett jedoch trat in den vergangenen Wochen und Monaten mit einer solchen Alternative und insbesondere im Wahlkampf auf die politische Bühne.

Und so wurde er zu einer möglicherweise umstürzenden Schlüsselperson der israelischen politischen Landschaft und des israelisch-palästinensischen Konflikt. Netanjahu (Likud-Block) war bis zum letzten Wochenende nicht Willens zu erklären, dass er gegen eine Zwei-Staaten-Lösung ist. US-Präsident Barack Obama kann nicht ernsthaft über Versuche nachdenken, die Rahmenbedingungen der israelisch-palästinensischen Abkommen umzuschreiben. Tzipi Livni (Kadima), Shelly Yachimovich und andere führende israelische Zentristen sind gleichermaßen an die Zwei-Staaten-Lösung gekettet und dort, wo sie sie nicht mehr für realisierbar halten, ist ihre politische Reaktion darauf beschränkt, mehr Zeit und Freiraum für den Erhalt des Status Quo zu bekommen.

Bennett bietet der Rechten Israels dafür etwas anderes und weitergehendes, eine rein nationalistische zionistische Vision. Seine innere Orientierung bei der Darlegung seiner politischen Pläne lautet "Tun, was das Beste für Israel ist". Es ist klar, dass damit für die Palästinenser im Westjordanland und in Ost-Jerusalem nur eine apartheid-ähnliche Existenz in kleinen und kleinsten räumlichen Gebieten ihres ureigensten Territoriums übrig bleiben wird. Bennet steht offen für die Realisierung von Groß-Israel auf dem gesamten Territorium Palästinas (mit Ausnahme des Gaza-Streifens). 

Aber Bennett nimmt diesen Standpunkt nicht aus der Sicht eines religiösen Fanatikers, eines ultra-orthodoxen Fundamentalisten oder eines säkularen Faschisten ein, sondern als moderner Konservativer, der auf die Ideologie des freien Marktes und strategische Visionen von Israels Zukunft setzt. Es ist dieses Herangehen, mit dem er durchaus viele Freunde und Bewunderer in den USA und sogar in manchen Hauptstädten Europas gewinnen kann. Den Palästinensern bietet dies keine Hilfe und keine Achtung ihrer Menschenrechte und ihrer nationalen Interessen oder Würde - dafür sichere Feindschaft der arabischen Welt.

In den Augen von Naftali Bennett ist Israel allerdings stark genug, um dem auch ohne die Militärhilfe der USA zu widerstehen. Wenngleich er sich da irren dürfte, hat er doch eine Ausstrahlung und einen politische Wirkung, die ihm eine Umsetzung seiner Visionen ermöglichen könnte.

"Mit Netanjahu hat Bennett auch noch eine persönliche Rechnung offen: Einst diente er ihm als Bürochef, 2008 endete die Männerfreundschaft abrupt im Streit. Sein erklärtes Ziel ist es nun, in die [Regierungs-]Koalition einzuziehen und dem Regierungschef das Kernthema seiner Partei aufzuzwingen: die weitere Besiedlung des Westjordanlands und die strikte Ablehnung eines Palästinenserstaats", schrieb die SZ in der letzten Woche. Offensichtlich hat Bennett Letzteres schon erreicht.

Am vergangenen Sonntag erklärte Netanjahu sich in einem Fernsehinterview mit Walla Israeli News in einer kaum überbietbaren Deutlichkeit und ganz im Sinne des politischen Programms von Naftali Bennett: Unter seiner Regierung werde es keine Auflösung von Siedlungen im Westjordanland geben und man werde Siedlungen bauen, wo immer dies möglich sei. Er lehne strikt die Gründung eines palästinensischen Staates ab, es werde allenfalls eine Art demilitarisierter Autonomie für die Palästinenser geben.

Die Zeichen in Israel und Palästina stehen auf Sturm!

 

Text: hth  / Quellen: SZ, Alternet, IMEMC  /  Foto: pbc.ps (Hauszerstörung bei Hebron)

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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