Internationales

alt05.09.2011:  "Die großen Messen sind selten der Schauplatz für das Fassen konkreter Beschlüsse." Dies schrieb die französische Tageszeitung 'Le Nouvel Observateur' am 1. September zu der vom französischen Staatschef Sarkozy am gleichen Tag nach Paris einberufenen Konferenz der 'Freunde Libyens'. Tatsächlich war diese Konferenz mit Vertretern aus rund 60 Staaten, darunter Frau Clinton aus den USA und der deutschen Kanzlerin Merkel, vor allem als große 'Siegesfeier' inszeniert worden.

50.000 Menschenleben, so lauten Schätzungen, hat der Krieg in Libyen bei den Kämpfen zum "Schutz der Zivilbevölkerung" gekostet. Weniger als 2.000 Menschen starben vor der Kriegseröffnung gegen das Gaddafi-Regime mit Hilfe der NATO-Hochtechnologie. Wahrlich eine perverse Haltung, dieses Ergebnis zu feiern.

Neben seinem internationalen Renommee wollte der französische Staatschef auch aus innenpolitischen Gründen sein Ansehen als großer Weltpolitiker aufbessern. Das braucht er dringend, denn seine Umfragewerte in der französischen Bevölkerung sind seit Monaten tief im Keller. Der südafrikanische Staatspräsident Zuma und manche andere afrikanische Staats- und Regierungschefs weigerten sich, zu diesem Manöver zu erscheinen. Russland und China schickten nur nachrangige Repräsentanten.

Es war allerdings eine Siegesfeier, noch ehe der Sieg ganz errungen war. In einigen Gebieten Libyens um Gaddafis Geburtsstadt Sirte und im Süden des Landes hielten Einheiten der Gaddafi-Armee Anfang September noch immer ihre Stellungen gegen mit NATO-Unterstützung angreifende 'Rebellen'. Außerdem rief der aus Tripolis vertriebene Machthaber, der sich dem Zugriff seiner Gegner bisher entziehen konnte, die Libyer zu einem anhaltenden Guerillakrieg gegen die Marionetten des Imperialismus auf.

Deshalb sah sich Sarkozy nach der Konferenz veranlasst zu verkünden, man habe sich darauf geeinigt, das militärische Eingreifen der NATO in Libyen fortzusetzen, bis Gaddafi endgültig keine Bedrohung mehr sei. Doch das Mandat des UNO-Sicherheitsrats läuft am 27. September aus. Ein neuer UNO-Beschluss für seine Verlängerung dürfte kaum zu erreichen sein. Das heißt, spätestens ab diesem Zeitpunkt wären den von Sarkozy angekündigten weiteren Militäreinsätzen auch jeder Schein einer völkerrechtlichen Legitimation entzogen.

Ein Hauptziel der Pariser Konferenz war es, dem mit NATO-Hilfe installierten, selbsternannten und durch keinerlei demokratische Prozedur bestätigten 'Nationalen Übergangsrat' (CNT) einen größeren Schein von Legitimität zu verschaffen. Die internationale Anerkennung sollte zur Stabilisierung seiner Macht, nicht zuletzt in Libyen selbst, beitragen – als ob die Zustimmung ausländischer Staats- und Regierungschefs das Recht des libyschen Volkes außer Kraft setzen könnte, allein zu entscheiden, wer in Libyen regiert.

Der Stabilisierung des CNT sollten auch die Zusagen der führenden westlichen Mächte dienen, die gesperrten Konten des Gaddafi-Regimes im Ausland für den CNT freizugeben. Das kostet den Westen praktisch nichts, lässt den CNT aber als eine Einrichtung erscheinen, die in Kürze in der Lage sein könnte, ihren Truppen, Söldnern, Polizisten und Beamten tatsächlich Gehälter zu zahlen.

Allerdings gibt es auch da noch ein Problem. Denn auch für die Freigabe der beschlagnahmten libyschen Auslandskonten wäre eigentlich erst ein neuer Beschluss des UNO-Sicherheitsrats erforderlich, weil dieser seinerzeit die Blockierung der Gelder verfügt hat. Aber Südafrika sträubt sich dagegen und auch Russland und China zögern. Vermutlich auch, weil noch ungeklärt ist, welche 'Gegenleistungen' sie hinsichtlich ihrer künftigen Anteile am libyschen Öl- und Gasgeschäft für die Freigabe der Konten an den CNT eintauschen könnten.

In den meisten bürgerlichen Medien wird inzwischen ungeschminkt zugegeben, dass es den Teilnehmern der Pariser Konferenz keineswegs nur um hehre Ziele wie Menschenrechte und Demokratie ging. Das Gerangel um ihre künftigen Anteile am Libyen-Geschäft ging hinter den Kulissen munter weiter. Im schon eingangs zitierten 'Nouvel Observateur' hieß es dazu: "Wenn sich einige Staaten besonders eifrig bemüht zeigten, indem sie den besten Willen der Welt bekundeten, so geschah dies, weil die wirtschaftlichen Herausforderungen der Nach-Gaddafi-Zeit von beachtlicher Größe sind und jeder hofft, seinen Teil des Kuchens abzubekommen."

Dabei geht es nicht nur um Öl und Gas, sondern zusätzlich um enorme 'Wiederaufbau'-Geschäfte: Wiederaufrichtung bzw. Neubau zerstörter Gebäude, Straßen, Verkehrsanlagen, Wiederherstellung bzw. weiterer Ausbau des Telekommunikationsnetzes, der Wasserversorgung, des Verkehrswesen, des Gesundheitswesens, Formierung, Ausbildung und Ausrüstung des künftigen 'Sicherheitsapparats', der Polizei und Armee der neuen Machthaber, Installierung eines von der Gaddafi-Ideologie gesäuberten Bildungswesens – für westliche Großkonzerne ein breites und lukratives Feld für 'technische Hilfeleistung'.

Genau zum Tag der Pariser Konferenz hatte die liberale französische Zeitung 'Libération' beispielhaft für den nun im Gang befindlichen Run auf das Libyen-Geschäft mit der Enthüllung aufgewartet, dass der libysche Übergangsrat der französischen Regierung schon im Frühjahr zugesagt hatte, den Anteil des französischen Ölkonzerns Total am libyschen Ölgeschäft, der bisher bei 2-3 Prozent lag, auf künftig 35 Prozent zu erhöhen. Die Zeitung hatte die Enthüllungsstory unter der Überschrift: "Erdöl: Der geheime Vertrag zwischen dem CNT und Frankreich" aber nicht nur ins Blatt gesetzt, sondern mit dem Abdruck eines Faksimiles in arabischer Sprache untermauert. In dem vom 4. April datierten Schreiben hieß es wörtlich: "Bezüglich des Ölabkommens mit Frankreich im Austausch gegen die Anerkennung unseres Rates als legitimen Vertreter Libyens beim Gipfel von London haben wir Bruder Mahmoud (Shammam, CNT-Minister für Medien, A. d. Red.) delegiert, um dieses Abkommen zu unterzeichnen, das 35 Prozent des gesamten Rohöls den Franzosen zuteilt im Austausch für die totale und dauerhafte Unterstützung unseres Rates."

Signiert war der Brief höchst offiziell vom Nationalen Übergangsrat und einer 'Volksfront für die Befreiung Libyens', und gerichtet war er an die Regierung des Emirs von Katar, die zu diesem Zeitpunkt als Zwischenglied zwischen den 'Rebellen' und der NATO fungierte; eine Kopie ging an den Generalsekretär der Arabischen Liga. Sprecher Sarkozys wie des CNTs haben die Abmachung inzwischen heftig dementiert - allerdings nur in der Form, dass sie erklärten, dass sie von einem solchen Brief "keine Kenntnis" hätten.

Keine Einigung gab es auf der Pariser Konferenz offenbar über die von einigen NATO-Politikern befürwortete Entsendung einer 'UNO-Friedenstruppe' nach Libyen, um ein Abgleiten des Landes in chaotische Verhältnisse infolge aufbrechender Rivalitäten zwischen den verschiedenen 'Rebellengruppen' und Stämmen zu verhindern. Die CNT-Funktionäre sollen sich entschieden dagegen ausgesprochen haben, wohl weil sie befürchten, dann noch mehr als im Dienst ausländischer Mächte stehende Lakaien angesehen zu werden, was den Widerstandsgeist vieler Libyer gegen die ausländische Einmischung eher verstärken als abschrecken könnte.

Kenner libyscher Verhältnisse wie der Mainzer Professor Günter Meyer, Leiter des Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt und Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient lassen deutliche Besorgnisse über die weitere Entwicklung in Libyen erkennen. In einem Interview mit tageschau.de (31.8.) sagte er u.a.: "Der Nationale Übergangsrat ist komplett zersplittert - und das ist eines der zentralen Probleme. Radikale Islamisten, Sozialisten, Liberale und Auslands-Libyer, die aus dem Exil zurückgekehrt sind, sitzen alle an einem Tisch - mit jeweils unterschiedlichen Zielen. Außerdem sitzen in führenden Positionen Mitglieder der ehemaligen Gaddafi-Regierung. Die Interessen von langjährigen Oppositionellen und denjenigen, die sich erst kürzlich von Gaddafi losgesagt haben, zusammenzubringen - das wird ein gigantische Aufgabe. ... Der gesamte militärische Widerstand hat keine klaren Befehlsstrukturen. Er setzt sich aus einer Vielzahl kleiner Gruppen zusammen, die alle ihren eigenen Kommandeur haben. Die Rebellen sind zwar gemeinsam gegen Gaddafi vorgeprescht, mehr verbindet sie aber nicht."

Aus solchen Einschätzungen geht deutlich hervor, dass die Herrschaft des 'Übergangsrats' in der 'Nach-Gaddafi-Ära' offenbar auch für die nächste Zeit noch höchst instabil ist. Es ist keinesfalls gesichert, dass innere Auseinandersetzungen nicht weiter in einem mehr oder weniger offenen oder versteckten Bürgerkrieg ausgetragen werden, und dies nicht nur zwischen 'Übergangsrat' und Gaddafi-Anhängern. Ob Libyen ein ähnliches Schicksal wie Somalia droht, dürfte sich erst in der kommenden Zeit zeigen.

Text: Georg Polikeit  /  Foto: RobertReedDaly

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