Europa

alt08.01.2013:  Die ungarische Regierung hat eine Liste mit den Studiengängen veröffentlicht, die ab dem kommenden Studienjahr 2013/14 nicht mehr staatlich subventioniert werden und daher durch Studiengebühren und/oder Studienkredite einschließlich vertraglichem Bleibezwang [in Ungarn, nach Studienabschluss] für das Doppelte der Studienzeit bezahlt werden müssen. Die Auflistung offenbart den Willen der Orbán-Regierung, der ärmeren Mehrheit der Bevölkerung den Zugang zu leitenden Funktionen in Staat und Wirtschaft dauerhaft zu verwehren.

Das Bildungsstaatssekretariat im Ministerium für 'Humanressourcen' sieht in den nachfolgenden Studiengängen keine prioritäre national-wirtschaftliche Bedeutung: Andragogik (lebenslanges Lernen, Erwachsenenbildung), Volkswirtschaft, Human Ressources / Personalmanagement (der Studiengang, nicht das Ministerium), Wirtschaftsanalytik, Business Management, Betriebswirtschaft, Öffentlicher Dienst (Anmerkung: hierfür gibt es eine eigene, regierungsgesteuerte, neue Uni, in der "geeignete" Bewerber aufgenommen und mit staatlichen Stipendien bestückt werden, die entsprechende Loyalität voraussetzen, was eine kostenlose Ausbildung obsolet macht), Internationales Management, Buchhaltung und Finanzcontrolling, Tourismus & Gastronomie, alle Jura-Studiengänge, Soziologie, Kommunikations- und Medienwissenschaften, Internationale Studien (Außenpolitik).

Was Studienbereiche wie Kunst, Musik, Medizin etc. betrifft, so gibt es dort schon heute Studiengebühren. Die ungeliebten "liberal verseuchten" Bereiche wie Philosophie, Sozialwissenschaften etc. werden über Fakultätskürzungen und Hochschulschließungen begrenzt werden, an denen die zuständige Staatssekretärin, Rózsa Hoffmann, von Anfang an keinerlei Zweifel ließ. Um die Proteste im Rahmen zu halten, wird man damit noch etwas warten. Im Fokus der staatlichen Förderung stehen nun ausschließlich noch die Ingenieurswissenschaften (als Personalzulieferung für Audi, Mercedes und Co.) und die Naturwissenschaften, die jedoch häufig schon über indirekte NC's (begrenzte Zahl von Studienplätzen) und entsprechende Aufnahmehürden eingeschränkt sind.

Neben der von der streng ständisch orientierten Orbán-Regierung angestrebten, allgemeinen Reduzierung der Akademikerquote und dem Ziel der Einsparung von Budgetmitteln, sollen, so lässt es die Auswahl erahnen, die nicht unwesentliche Bereiche Jura (Richter, Anwälte, Staatsanwälte), aber auch die zukünftige Wirtschaftselite aus finanziell gehobenen Kreisen rekrutiert werden, die eher weniger zu regierungskritischen Ansichten und Tätigkeiten neigen.

Die nun fälligen Gebühren von 400 bis 800 EUR pro Semester mögen dem westlichen Beobachter nicht als übermäßig erscheinen, rechnet man jedoch die in der Hauptstadt recht hohen Lebenshaltungskosten hinzu und bedenkt die katastrophale Einkommenslage bei Studentenjobs sowie die oft sehr hohe Verschuldung der Familien, wird deutlich, dass eine Gebühr von 800.- EUR im Halbjahr für den Großteil der Abiturienten das Studieren unmöglich machen wird und damit auch die freie Entfaltung der Person, ein Grundrecht.

Für die frei zugänglichen, aber auch die gebührenpflichtigen Studiengänge fehlen noch immer auch die Zugangsbedingungen, sprich die erforderliche Punktzahl bei den verbindlichen Aufnahmetests (bisher 240) und die Definition, wie diese erreicht werden (was auch ein leicht manipulierbares Steuerinstrument darstellt). Dies wurde den Studierenden von Minister Balog für "nach Weihnachten" zugesagt.

Mit dem heutigen Stand ist zu konstatieren, dass die vielstimmigen Proteste der Studierenden, Abiturienten und Lehrkräfte kein Umdenken der Regierung und ein Ergebnis gebracht haben, dass auch nur annähernd das Wort "freie Bildung" verdient und eine Perspektive als Wissensgesellschaft eröffnet. Die Verschärfung der sozialen Ungerechtigkeit, die Bildungs-Segregation nach 'Standeszugehörigkeit' erreicht mit der Hochschulpolitik … einen neuen Höhepunkt.

Die Entmündigung und Entrechtung der Bürger erlebte Ungarn bereits bei der "großen Steuerreform", dem Arbeitsrecht, den privaten Rentenbeiträgen, den kommunalen Beschäftigungsprogrammen. Und dieses Vorgehen, den Bürger als Statisten zu behandeln, zieht sich durch alle legislativen und exekutiven Maßnahmen dieser Regierung, bis hin zur Entstehung und "Verwaltung" der neuen Verfassung. Er zieht sich aber auch durch die gesamte Nachwendezeit, heute erleben wir den "Untertanenstaat" nur in vollendeter Blüte, doch der Samen dafür wurde schon viel früher gelegt und war und ist nicht an die offiziellen politischen Ausrichtungen der jeweils Regierenden gebunden.

Nun also das Hochschulwesen. Dass auch auf diesem Sektor die ständestaatliche Ausrichtung der Orbán-Regierung die Oberhand gewinnen würde, war schon länger absehbar, die zuständige Staatssekretärin machte nie einen Hehl aus ihrer Abneigung für "unnütze" Studiengänge, postulierte die Anpassung des Studiums an die "national-wirtschaftlichen Bedürfnisse", drohte allen Einrichtungen "die am Markt nicht bestehen können" mit Schließung, entmachtete die Rektoren, hebelte die Hochschulautonomie hinsichtlich Finanzen, Personalpolitik und Verwaltung aus und bekam somit auch Durchgriff auf die Lehrinhalte.

Zurück in den Agrarstaat?
Auch der Abbau von staatlich finanzierten Studienplätzen ist nicht erst seit diesem Jahr ein Thema, bereits im vorherigen Studienjahr wurden sie von rund 50.000 auf 30.000, nun nochmal auf knapp über 10.000 reduziert. Angehoben wurde dagegen massiv die Zahl der "teilfinanzierten" Studienplätze (über 40.000), was zu nichts anderem als zur flächendeckenden Einführung von für ungarische Verhältnisse horrenden Studiengebühren führt. Diese schließen einen Großteil junger Leute aufgrund ihrer materiellen Lage und der ihrer Familien ganz von höherer Bildung aus, denn die angebotenen Studienkredite können nur zurückgezahlt werden, wenn es für die Absolventen adäquat bezahlte Jobs gäbe. Die gibt es aber nicht. Doch die Logik der Nationalkonservativen ist nicht, mehr Anreize für solche Jobs zu schaffen, die Logik besteht darin, die Zahl der Hochqualifizierten zu verringern. Zurück in den Agrarstaat?

Schlechte Aussichten für Normalbürger
Insgesamt hat diese Regierung bisher rund 500 Mio. EUR (186 Mrd. Forint) aus dem System der höheren Bildung abgezogen, behauptet aber, dass durch ihr "neues System" sogar mehr junge Leute studieren könnten. Könnten. Sehr wohl. Die 2008 eingeführten Studiengebühren bedeuten - in einem ziemlich komplexen bis wirren System - bisher eine jährliche Belastung für die Studenten von 370 bis 1.500 EUR im Jahr für staatliche Unis und Hochschulen, wobei der Grundbetrag von 370 EUR, der 10% der Ausbildungskosten repräsentieren soll, je nach Hochschule, Studienjahr und Leistung auf bis zu 50% ansteigen kann. Diese 50%, also über 1.500 EUR / Jahr wären ab nächstem Studienjahr dann sozusagen der Standard. Wer sich das nicht leisten kann und das ist die absolute Mehrheit, darf entscheiden: Ausland, Facharbeiterlehre, Kredit samt Bleibezwang. Keine schönen Aussichten.

Die Regierung will einen beliebig steuerbaren Apparat, eine Kaderschmiede
Sämtliche bisher getroffenen Maßnahmen ließen durchklingen, dass man in der universitären Bildung einen störenden Hort liberalen Zeitgeistes sieht. Netzwerke, die es zu durchschlagen und sich anzueignen gilt. Ziel ist nach außen der Aufbau eines bedarfsorientierten höheren Bildungssektors zum Nutzen des Landes. Doch das Wunschziel - und genau diesem dienen die nun angesetzten "Reformen" - ist der Umbau der Hochschulbildung zu einem zentralisierten, steuerbaren, elitären Apparat, der als Kaderschmiede für gehorsamen Nachwuchs für den öffentlichen Dienst und die Belieferung "national strategisch bedeutsamer" Industriezweige mit entsprechendem Personal funktionieren soll. Nichts könnte weiter von der Idee einer Universität entfernt sein. Sehr viel Geld hingegen fand man für eine Universität des öffentlichen Dienstes, eine reine Kaderschmiede, in der Finanzbeamte und Polizisten trainiert und auf Linie gebracht werden. In Hab-Acht-Stellung wurde der ersten Jahrgang im Parlament von Orbán persönlich eingeschworen. Sie bekommen dafür einen chicen neuen Campus, mit Wellnessbereich.

Zynische Kommentare, statt Mitbestimmung
Niemand zweifelt an, dass das ungarische System der höheren Bildung überholt, schwerfällig und teilweise aufgebläht ist, nicht einmal die Studenten und Lehrkräfte zweifeln das an. Was man jetzt erlebt, ist jedoch ein gezielter Kahlschlag, motiviert mit einer Mischung aus Bildungsfeindlichkeit, sozialer Gewissenlosigkeit und Standesdünkel, Kurzsichtigkeit und einer himmelschreienden Dreistigkeit, mit der man über die Realität und das Recht der Studierenden hinweggeht, über ihre Zukunft mitzuentscheiden. Die von Parlamentspräsident Kövér, Premier Orbán, seinem Regierungssprecher Giro-Szász oder 'Superminister' Balog, erst recht von Staatssekretärin Hoffman aufgezeichneten Statements zeugen von Ignoranz und dem Unwillen zu jeglicher Kooperation. Wenn darin nicht direkt gelogen wird, wird zumindest immer nur eine Seite der Medaille erwähnt, was nebenbei auch eine Beleidigung der Intelligenz der Studenten darstellt.

Es sind nicht Parteien, die protestieren, es sind die Betroffenen

Viele Studierende, aber auch ihre Lehrkräfte, wollen das nicht mehr hinnehmen. Die Proteste der vergangenen Tage weisen einen Qualitätsunterschied zu den bisherigen Reaktionen auf die tiefen Lebenseinschnitte durch die Regierungspolitik auf: es sind keine Oppositionsparteien oder -bewegungen, die versuchen, das Volk darüber aufzuklären und davon zu überzeugen, dass die Politik falsch und ihr Protest notwendig ist. Es sind diesmal die Betroffenen selbst, die als erste reagieren und ein lautstarkes "Wir lassen das nicht zu!" riefen.

Studentenvertretungen, Lehrergewerkschaften und die Rektorenkonferenz sind sich in den wesentlichen Kritikpunkten einig und fordern Mitbestimmung. Dass es diese gegeben habe, behauptet Regierungschef Orbán. Dass das eine glatte Lüge ist, sagen die Studierendenvertreter und erinnern daran, dass es die heutige Regierungspartei Fidesz war, die 2008 ein Referendum gegen Studiengebühren angestrengt hat, "um allen jungen Ungarn einen gerechten Zugang zu höherer Bildung" zu verschaffen, die man als "Investition in die Zukunft" pries. Doch damals, so wissen sie es heute, ging es dem Fidesz nicht um die Studenten, sondern nur gegen die MSZP.

Quelle (Auszüge) und CR: Pesterlloyd

 

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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