18.10.2011. Bei strahlend blauem Himmel und Oktobersonne brachen die mehr als 5.000 Demonstranten am Rathenauplatz um 12.00 Uhr in Frankfurt am Main auf. Auf dem Demozug wurden es dann nochmals 1.000 mehr. Anmelder und Organisatoren waren Attac und Occupy Frankfurt - besonders letztere eine Bewegung, die sehr plötzlich aus der großen Empörung der von der Krise Betroffenen entstanden ist. So kann es gehen – gestern noch nicht einmal namentlich bekannt, heute schon Organisatoren einer Demo, die die Dinge auf den Punkt bringt – endlich! Es war ein prickelndes Gefühl, plötzlich Wahrheiten auf Plakaten und Transparenten zu lesen, die von Leuten stammten, die gar nichts mit uns weiter zu tun haben. Aufschriften wie „Der Mensch kommt vor dem Profit!“ (was ja nun wirklich unsere langjährige Losung ist!) oder „Entmachtet die Banken!“, oder „Demokra… was?“
Was noch vor wenigen Jahren eine vereinzelte Aktion von DKP und ein paar Gleichgesinnten war, ohne große Resonanz in der Bevölkerung, nämlich vor Banken zu ziehen und gegen das Finanzsystem zu protestieren und für eine Vergesellschaftung desselben, hat jetzt endlich in den Köpfen von Vielen irgendwie Eingang gefunden!
Revolution now? Zumindest die Absicht war als Spruch zu lesen und wurde heute laut artikuliert. Die Menschenmenge war bunt, die Polizei kaum zu sehen - so soll es sein!
Als wir die UZ Extra verteilten, wurde sie uns z. Teil fast aus den Händen gerissen und ein Jugendlicher fand sogar „Kommunisten sind cool“! Äh …ja.
Der Demozug bewegte sich durchs Bankenviertel, direkt vorbei an dem Hochhaus der Commerzbank. Auf der Treppe dieses architektonischen Monsters lagerte eine große Zahl von Demonstranten, die ihrem Unmut mit weiteren Transparenten Luft machten. Mich freute besonders der Spruch „Der schlafende Riese ist erwacht!“ Wenn die Bewegungen in den arabischen, den südeuropäischen Ländern (die am Abgrund stehen) und der New Yorker Wallstreet-Blockierer auch nur ein bisschen mithilft, dass der schlafende Riese Bevölkerung endlich erwacht, dann war auch unser Wirken in den letzten Jahrzehnten nicht umsonst!
In den Reden am offenen Mikrophon, die bis in den Abend dauerten, wurden viele Aspekte angesprochen: Die persönliche Betroffenheit von Hartz-IV-Empfängern, von Eltern, deren Kinder in kaputten Schulgebäuden unterrichtet werden und die in einem Bildungssystem groß werden, das diesen Namen nicht verdient, von Noch-Beschäftigten, die akut von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Es sprachen Menschen, die die Spekulation auf Nahrungsmittel zu Recht als Massenmord anprangerten und auch solche, die das Danach ansprachen, bzw. das Wie der Alternative, die „alles andere als trivial oder einfach zu machen“ sei. Ja, denn die ist „das Einfache, das schwer zu machen ist“!
Besonders beeindruckend war der halbstündige Redebeitrag eines Professors der Wirtschaftswissenschaften, der die Zusammenhänge innerhalb des kapitalistischen Finanzsystems, mit seinen Banken, Zinsen, Krediten und Schuldnern so genau und gleichzeitig so spannend darstellte, dass die rund 3.000 Menschen drumherum in beeindruckender Stille zuhörten. Er sprach als wichtigsten Punkt die innere Logik und die zerstörerische Dynamik dieses Systems an, die nur von außen durchbrochen werden kann, sowie die Erbarmungslosigkeit der Gläubiger (Banken, Kapitaleigner) wenn sie am „Punkt ohne Wiederkehr“ angekommen sind, wenn die Schuldner nicht mehr zahlen können. Da bekommt der Satz „Geld her oder Leben!“ nochmal eine ganz neue Bedeutung!
Es gab natürlich auch immer wieder Beiträge, die das Konsumverhalten der Menschen als den Dreh- und Angelpunkt bei einer möglichen Veränderung ansahen und manche sogar „die Politiker“. Diese zu kurz gedachten Erwägungen werden uns noch lange erhalten bleiben – dazu hat man zu lange das Kämpfen vernachlässigt und Erfahrungen nicht gemacht. Aber egal - nur Mut!
Ab dem Abend wurde ein Protest-Camp auf dem Rasen vor der Europäischen Zentralbank errichtet, das so lange es geht aufrechterhalten werden soll und die Diskussion um die Profiteure der Krise weiter beleben wird. Denn sie sind gekommen um zu bleiben!
Für uns Kommunisten wäre es jetzt am wichtigsten, zu überlegen, wie die nächsten konkreten Schritte aussehen müssen, die die Bewegung stärken und festigen und uns unserem gemeinsamen Ziel näherbringen. Und dann rein damit in die Diskussion! Wie können wir z. B. mithelfen, dass dieser Keim antikapitalistischen Protests nicht zerfasert, nicht in sich zusammenfällt? Wie können wir das Camp unterstützen?
Damit das, was auf einem der Plakate stand, auch endlich Wirklichkeit wird:
„EUER SPIEL IST AUS!“
Text: Bettina Mandellaub Fotos: Bernd Müller-Weathersby
- Einen Bericht von der Aktion in München gibt es hier