Meinungen

08.01.2016: "Rot-Rot-Grün könnte die politische Stagnation aufbrechen", schreibt die Bundesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen Simone Peter in der Frankfurter Rundschau.
Rot-Rot-Grün war auch Thema des LINKS.KONGRESSES in Halle, organisiert von Linksjugend (solid), Jusos und Grüner Jugend. Ein halbes Jahr danach zieht Stefanos Kontovitsis ein Resümee.


Die Debatte um Rot-Rot-Grün gewinnt an Fahrt. Doch die Debatte wird häufig zu eng geführt – reduziert auf die parlamentarische Ebene, die drei Parteien SPD – DIE LINKE – Grüne sowie auf die Frage, wie sich wie sich eine rot-rot-grüne Koalition organisatorisch anbahnen ließe. Ausgeblendet bleibt, dass die Politik der SPD – und in großen Teilen auch die der grünen Partei - nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems sind. Die zentrale Frage für die Einleitung eines politischen Wechsels ist, wie gesellschaftliche Mehrheiten für eine sozial-ökologische und kulturelle Transformation gewonnen und aktiv werden können.


Grünen-Vorsitzende für Rot-Rot-Grün
In der Frankfurter Rundschau hat sich nun die Bundesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Simone Peter, zu Wort gemeldet. (Progressive Kräfte bündeln) Simone Peter plädiert für Rot-Rot-Grün, um die politische Stagnation aufzubrechen. Nur mit einem umfassenden Politikwechsel könne ein sozial-ökologischer Wandel gelingen.

Simone Peter: "Nur mit einem umfassenden Politikwechsel werden wir es schaffen, Strategien für eine lebenswerte und gerechte Welt zu entwerfen und wirksame Maßnahmen gegen die großen Bedrohungen unserer Zeit zu entwickeln: die fortschreitende Klimakrise, die zunehmende soziale Spaltung und Ausbeutung von Mensch und Umwelt, das Erstarken nationalistischer Kräfte, die Ausbreitung von Terror und internationalen Konflikten und die Einschränkung von Menschen- und Bürgerrechten. Eine linke Regierungskoalition hätte die Chance, die politische Stagnation der vergangenen Jahre in Deutschland aufzubrechen und eine sozial-ökologische Transformation im Schulterschluss mit den Bürgerinnen und Bürgern anzustoßen."

Unter Verweis auf den von den Grünen vorgeschlagenen 'Green New Deal‘ fordert die Grünen-Vorsitzende Linkspartei und SPD auf, "Optionen jenseits der visions- und gestaltungsarmen Großen Koalition mit zu entwickeln". Simone Peter: "Wir sollten – bei aller Eigenständigkeit in Programmatik und Zielen – gemeinsam mit progressiven gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kräften an realistischen Optionen für Regierungsbeteiligungen arbeiten, um den sozial-ökologischen Aufbruch einzuleiten und ein Dauerabo auf die Große Koalition zu verhindern."


Die Idee einer gemeinsamen Linken - Was bleibt nach dem ersten „Linkskongress“

Mit dem Thema des Politikwechsels hat sich auch der "LINKS.KONGRESS" in Halle (Saale), organisiert von von Linksjugend (solid), Jusos und Grüner Jugend, befasst. Stefanos Kontovitsis zieht ein Resümee:

Seit dem ist nun ein halbes Jahr vergangen, ohne dass sich in dieser Frage noch viel getan hätte. Zum Kongress hatten die Linksjugend (solid), die Jusos und die Grüne Jugend Halle (Saale) unter dem Thema „Möglichkeiten und Grenzen von linkem Regieren“ eingeladen. Das Thema und der Hintergrund, das die drei Parteijugenden diesen Kongress zusammen organisierten, führten zu einer regen Teilnahme auch über die Grenzen Sachsen-Anhalts hinaus. Da eine Parteimitgliedschaft nicht Grundlage für eine Teilnahme war, fanden ebenso unorganisierte und außerparlamentarische Aktivisten ihren Weg nach Halle. Die Diskussionen auf dem Kongress reichten von strategischen Debatten hin zu konkreten Diskussionen über die Rot-Rot-Grünen Regierungen in Thüringen und Dresden. Den „Höhepunkt“ erreichte der Kongress am Ende mit einer Podiumsdiskussion an der der Chefredakteur des Neuen Deutschlands Tom Strohschneider, Thomas Seibert und Andrea Ypsilanti als Vorstandsmitglieder des ISM (Institut Solidarische Moderne) sowie Susanne Henning-Welsow und Madeleine Henfling als Mitglieder der Thüringer Landesregierung teilnahmen. Man kann sagen, die Stimmung am Ende der Podiumsdiskussion war in vielerlei Hinsicht euphorisch und von Elan geprägt, was natürlich auch an den Referenten des Kongresses lag, welche durch ihre „Prominenz“ eine gewisse Resonanz erhoffen ließen.

Der große Schritt nach vorn, in organisatorischer und medialer Form, blieb jedoch aus. Dieser Umstand hat sicherlich mehrere Gründe, einer jedoch ist der, dass Organisatoren und Helfer des Kongresses in vielerlei Hinsicht ein unterschiedliches Resümee zogen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die einen durch den Kongress bestätigt sehen, dass mit diesen drei Parteien eigentlich kein Politikwechsel zu machen sei und dass diese, wenn überhaupt, nur durch enormen außerparlamentarischen Druck dazu zu bringen sein würden. Zudem würden die Beispiele der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen oder auch generell vermeintlich linker Regierungen wie in Griechenland oder Portugal zeigen, dass sich über diese Regierungen die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus nicht brechen lassen. Somit ist eine starke Fokussierung auf rein außerparlamentarische Gruppierungen die logische Folge.

Die anderen wiederum sehen diese These durch den Kongress keineswegs bestätigt. Vielmehr habe sich gezeigt, dass es einige in den Parteien gäbe, die einem Rot-Rot-Grünen Projekt auf parteipolitischer und gesellschaftlicher Ebene offen gegenüber stünden und andererseits sich viele unorganisierte und außerparlamentarische Aktive danach sehnen würden, dass endlich gemeinsame Sache gemacht werde, um bestimmte Forderungen durchsetzen und erste Schritte für die Formierung eines linken und demokratischen Blocks machen zu können.

Doch was sind nun die Bruchlinien an denen sich die Geister scheiden?
Eine ist sicherlich die Resignation vieler Aktivisten über die gegenwärtige Politik der Parteien, vor allem die der SPD. Doch ist es nicht so, das Parteien nicht nur eine bestimmte Politik repräsentieren, sondern auch gesellschaftliche Verhältnisse? Wenn dem so ist, dann reicht es zum Beispiel nicht, die zum Teil neoliberale Politik der SPD in Grund und Boden zu kritisieren, sondern es sollte vielmehr Aufgabe sein, Wege zu finden den Dialog mit der SPD und den durch sie repräsentierten gesellschaftlichen Gruppierungen zu verstärken und für eben eine andere Politik zu gewinnen. Wer nur kritisiert und nicht auf Augenhöhe diskutiert hat schon verloren. Allein schon aus dem Grund, weil ja die SPD und ihre Wähler nun mal da sind, sie sind nicht wegzuzaubern. Ganz abgesehen davon, dass es ja durchaus Bestrebungen auch innerhalb des SPD für einen Wechsel gibt.

Eine weitere Bruchlinie ist die Resignation vor der aktuellen politischen Lage und vielleicht auch der generelle Hang der Linken, Verantwortung eher aus dem Weg zu gehen. Es ist natürlich einfacher, als nächstes Ziel die Überwindung des Kapitalismus anzustreben und jede linke Regierungsbeteiligung als reformerisch abzustempeln, als Lösungswege für die Flüchtlingsfrage, den Syrien-Konflikt, den Klimawandel oder eine zu demokratisierende EU zu finden. Denn die Suche nach Lösungswegen und deren letztendliche Durchsetzung ist immer auch mit Kompromissbereitschaft verbunden, und hat leider nicht die Überwindung des Kapitalismus als direkte Folge. Doch macht es nicht die linken und demokratischen Kräfte aus, für Frieden, Menschenrechte und eine gerechtere Gesellschaftlich zu streiten? Wenn es so ist, dann müssen wir uns auch jetzt und heute mit Lösungswegen auseinandersetzen, die die aktuellen Probleme lösen oder wenigstens Abschwächen. Alles andere wäre reine Heuchelei. Und es ist ja so, das schon längst Bestrebungen in diese Richtung bestehen. Auf Ebene der Bundesrepublik sind das Organisationen wie das ISM, das Netzwerk Unite-Demokratische Jugend oder die marxistische linke, welche versuchen Kräfte zu bündeln und Lösungen über Parteigrenzen hinweg zu entwickeln; auf europäischer Ebene die linken Regierungen in Griechenland und Portugal, der Aufstieg Corbyns in England und die Stärkung von Podemos in Spanien. Durch Yanis Varoufakis bahnt sich sogar ein paneuropäisches Projekt an, welches versucht die Diskussion, jenseits von dem Rückfall in die Nationalstaatlichkeit, auf die europäische Bühne zu heben. Selbst in den USA gewinnt die Debatte Demokratie versus Neoliberalismus durch den Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders an Schwung. Und diese Entwicklung stehen doch genau in dem Geist den wir brauchen. Dialoge und Diskussionen zwischen den demokratischen und linken Kräften auf Basis neuer Plattformen und Bewegungen zu initiieren, um den größten Ungerechtigkeiten durch Kriege und Klimawandel und der zunehmenden Rechtsentwicklung in Europa Alternativen entgegenzusetzen und ihnen Herr zu werden.

Deshalb kann es, bei aller Kritik an SPD, Grüne und LINKE, nur der Weg des Dialoges und der Kompromissbereitschaft sein, um der Formierung eines demokratischen und linken Blockes ein Stück näher zu kommen. Auch wenn diese Parteien unterschiedliche Aspekte vertreten, macht genau das sie stark, da somit allumfassende Alternativen diskutiert und formuliert werden können. Grundlage aller drei Parteien ist, dass sie sich der sozialen Gerechtigkeit, dem Frieden und der Bekämpfung des Klimawandels verschrieben haben, andererseits gibt es konkrete Reformen wie den Mindestlohn, welche wenigstens grob der Richtung entsprechen. Allerdings ist der gesellschaftliche Druck, welcher ausgeübt werden muss, dringend erforderlich, um einerseits Akteure zu Entscheidungen zu drängen und um andererseits den anzustrebenden Politikwechsel überhaupt umsetzbar zu machen. Es müssen also auch neue Wege der Kommunikation gefunden werden, wie Pablo Iglesias gesagt hat, dürfen wir nicht religiös bezüglich unser linken Symbolik und Rhetorik sein, sondern müssen die Sache in den Mittelpunkt stellen. Anstatt nur böse mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollten wir ein Lächeln auflegen und Hoffnung verbreiten durch jetzt umsetzbare Alternativen und der gleichzeitigen Schaffung einer Vision, an der sich das linke Lager, parlamentarisch sowieso außerparlamentarisch, orientieren kann.

Stefanos Kontovitsis


siehe auch