Der Kommentar

19.01.2016: In der Zeitung "Unsere Zeit" (UZ) vom 15.1. wurde ein Bericht über die jüngsten Tagung des Exekutivkomitees der Partei der Europäischen Linken (EL) in Berlin (in der Zeitung ist ungenau vom ELP-Vorstand die Rede) veröffentlicht, der im Vorfeld der anstehenden Entscheidung in der DKP über Austritt oder Beibehaltung des Beobachterstatus in der ELP offenbar auf die Verstärkung kritischer Einwände gegen die weitere beobachtende Mitgliedschaft angelegt war. Dabei hat der Verfasser dieses Berichts, ein Carlo Pereira, aber offenbar den Kerninhalt dieser Beratung entweder gar nicht mitbekommen oder einfach unter den Tisch fallen lassen. Von Georg Polikeit.

 

Der UZ-Autor sieht den Hauptgrund für in der EL anstehende und debattierte Probleme in den „Schwierigkeiten einer Arbeitsstruktur, welche sich der Klassenfrage nicht stellt und angesichts ihrer pluralen Zusammensetzung auch weder stellen möchte noch kann“. Offenbar verwechselt er dabei die ELP mit einem Zusammenschluss von nur kommunistischen oder marxistischen Parteien. Denn das haben Bündnisse, die über den Kreis von kommunistischen Parteien hinausgehen, derzeit aufgrund der konkreten Bedingungen nun einmal so an sich, dass sie wohl kaum auf der Grundlage des „Stellens der Klassenfrage“, also auf der Grundlage der marxistischen Theorie zustande kommen können – sonst sind es Bündnisse der Kommunisten mit sich selbst.

Die EL definiert sich selbst bekanntlich als „flexible dezentralisierte Vereinigung von unabhängigen und souveränen europäischen linken Parteien und politischen Organisationen, die auf der Grundlage des Konsenses arbeitet“ und „sozialistische, kommunistische, rot-grüne und andere demokratische linke Parteien“ vereinigt (Statut der EL). Wieso aber solche Bündnisse, die in konkreten Themenbereichen und für konkrete Forderungen zwischen marxistischen und nichtmarxistischen Kräften zustande kommen (zum Beispiel im Kampf gegen Rechtsextremismus und Neofaschismus oder gegen Militarisierung und Auslandseinsätze der Bundeswehr, aber auch zur Abwehr von weiterem Sozialabbau und Privatisierungen), durch „Schwierigkeiten“ infolge fehlender theoretischer Klassenkampfgrundlagen geschwächt sein sollten, bleibt das Geheimnis des Autors. Ist es in der heutigen Situation der politischen Auseinandersetzung in Europa, da die klassenkampforientierten Kräfte schwach sind, nicht eher gerade eine Stärke, dass Kräfte unterschiedlicher weltanschaulicher und politischer Orientierung zusammenwirken,, und bestehen die Schwäche und derzeitigen Schwierigkeiten der Linkskräfte nicht eher darin, dass solche Bündnisse noch zu wenig entwickelt, nicht breit und nicht stark genug sind? Bündnispolitik, die das „Stellen der Klassenfrage“ zur Bedingung des Bündnisses macht, wäre de facto die Absage an jegliche Bündnispolitik, jedenfalls unter den heute gegebenen Kampfbedingungen.

Ansonsten betont der UZ-Bericht zur EL-Tagung vor allem Debatten um eine „Veränderung der Organisationsstruktur“ der EL, die nach seiner Wahrnehmung anscheinend auf der Tagung in Berlin im Vordergrund standen. Offenbar sollte auch damit die Stimmung für eine Aufkündigung des Beobachterstatus der DKP in der EL gefördert werden, indem dunkel eine stärkere Zentralisierung der EL durch eine „Stärkung der Rolle des Sekretariats“ angedeutet wurde. Dass die Tagung des EL-Exekutivkomitees im Kern aber in eine völlig andere Richtung ging, kann diesem Bericht nicht entnommen werden.

Glücklicherweise haben aber auch die drei Vertreter der Französischen Kommunistischen Partei (PCF) bei der EL, Anne Sabourin, Gilles Garnier und Vincent Boulet, am 13.1.2016 in der Beilage „Communistes“ zur „Humanité“ einen Bericht über die fragliche Tagung veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass es dort zentral um ganz andere Themen ging. (siehe "EL: Zu einer neuen Phase des gemeinsamen Kampfes")

Im Mittelpunkt standen demnach die Vorbereitung des nächsten Kongresses der EL vom 16 - 18. Dezember 2016 in Berlin und die bis dahin im Jahr 2016 anstehenden politischen Probleme und Aufgaben, die sich aus der derzeitigen konkreten politischen Entwicklung in der EU ergeben. Es ging dabei vor allem um Möglichkeiten der weiteren Verstärkung des Kampfes der europäischen Linkskräfte gegen die neoliberale Offensive der herrschenden Kapitalkreise, gegen die zunehmende Rechtsentwicklung und den Vormarsch rechtsextremer Parteien und Organisationen sowie gegen die Eskalation von Militäreinsätzen und kriegerischen Interventionen im EU-Ausland. Hervorgehoben wurde, dass es in dieser Situation für die weitere Entwicklung in Europa entscheidend ist, dass der Kampf um die Vergrößerung des Einflusses der Linkskräfte und ihr Zusammenschluss auf europäischer Ebene verstärkt und weiter ausgeweitet wird, um eine Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse sowohl in den einzelnen europäischen Staaten wie auf gesamteuropäischer Ebene zu erreichen.

Mit dieser politischen Orientierung und Zielsetzung im Blick einigte sich das EL-Exekutivkomitee auf folgende konkrete Vorhaben:

  • Erarbeitung eines „Aktionsplans gegen die Austeritätspolitik und die Vorherrschaft der Märkte“ und Durchführung einer breiten und offenen europäischen Konferenz darüber im Frühjahr 2016 nach dem Modell des „Europäischen Forums der Alternativen“
  • Durchführung einer gemeinsamen Kampagne für Frieden und internationale Sicherheit, die auf Vorschlag der Französischen Kommunistischen Partei mit einer Petition gegen das Erdogan-Regime und seinen Krieg gegen die Kurden sowie gegen das von der EU mit Erdogan unterzeichnete Abkommen zur Bekämpfung der Flüchtlingsströme beginnt
  • Erarbeitung von Überlegungen und Vorschlägen für ein weiteres verstärktes Vorgehen gegen das Anwachsen von Rechtsextremismus und rechtspopulistischer Stimmungsmache, die auf einer großen Konferenz Anfang Juni in Paris vorgestellt werden.

Diese Vorhaben werden gleichzeitig als wesentliche Etappen zur Vorbereitung des nächsten Kongresses der EL betrachtet, als dessen Hauptthema der „Aufbau eines neuen mehrheitsfähigen historischen Blocks“ von Linkskräften in Europa genannt wird.

G. Polikeit