Der Kommentar

wolfgang_teuber_frei27.06.2012: Am Freitag werden Bundestag und Bundesrat über den Fiskalpakt abstimmen, der ab 2013 in Kraft treten soll. In einem Brief an alle Abgeordnete des Deutschen Bundestages fordert der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, die Abgeordneten dazu auf, „dem Fiskalpakt nicht zuzustimmen, denn er ist „ein Instrument, das die Demokratie schwächt, ökonomisch schädlich und sozial unverträglich ist“. Auch der DGB-Vorsitzende Michael Sommer fordert „einen Stopp des Fiskalpaktes und der Schuldenbremse“. Der Fiskalpakt und die Schuldenbremsen werden, so der DGB-Vorsitzende, „die Deregulierung der Arbeitsmärkte und die Aussetzung sozialer und kollektiver Grundrechte“ vorantreiben. „Die Jugend wird um ihre Zukunft gebracht und es erfolgen massive Eingriffe in die Tarifautonomie. Aus unserer Sicht sind dies die falschen Strategien. Denn viele Länder fallen in wirtschaftliche Rezession und destabilisieren sich zusehends politisch, der Nationalismus nimmt zu“, betonte Michael Sommer in seinem Grußschreiben an die Delegierten des Parteitages der Partei „Die Linke“ am 2. und 3. Juni 2012 in Göttingen.

Und weiter heißt es in dem Grußschreiben: „Deshalb fordern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften:

  • einen Stopp des Fiskalpaktes und der Schuldenbremse,
  • einen Europäischen Marshall-Plan für Wachstum und Beschäftigung und eine „Europäische Zukunftsanleihe“: finanziert durch große Vermögen sollen Investitionen in zukunftsfähige Industrien und Dienstleistungen, Bildung und ökologische Modernisierung ermöglicht werden,
  • eine wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Jugendarbeitslosigkeit in Europa,
  • eine demokratisch legitimierte Wirtschafts- und Finanzregierung mit starken Mitwirkungsrechten der Parlamente,
  • eine konjunktur- und verteilungsgerechte Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, besonders durch Steuermehreinnahmen bei hohen Einkommen und Vermögen. Wir brauchen die Finanztransaktionssteuer,
  • eine wirksame Regulierung der Finanzmärkte.

Vieles von dem findet unsere volle Unterstützung. Doch beim Lesen des ver.di-Briefes an die Bundestagsabgeordneten und bei dem Grußschreiben von Michael Sommer kommt mir eine Äußerung von Johann Wolfgang von Goethe in Erinnerung: „Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.“

Folglich ist die Frage zu stellen: Was organisiert ihr an praktischem Widerstand? Wenn nicht heute vor dem Bundestagsgebäude, wann findet die gemeinsame Aktion der Mitgliedsgewerkschaften im DGB gegen den Fiskalpakt statt? Wann rufen europaweit, zeitgleich alle Mitgliedsgewerkschaften im Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) zum Streik gegen diese Kriegserklärung an die Arbeiterrechte auf? So etwas zu organisieren sei linke Illusion? Die Hafenarbeiter haben bewiesen, dass dies möglich ist. In 11 Ländern Europas haben sie 2003 gegen die EU-Richtlinie Port Package einen erfolgreichen politischen Arbeitskampf geführt. Warum nicht aus diesen Erfahrungen lernen? Im UZ-Interview sagte der damalige stellvertretende Bundesvorsitzende für den Bereich Verkehr und für ver. di Koordinator der Aktivitäten der europäischen Hafenarbeitergewerkschaften in der Europäischen Transportarbeiterförderation (ETF), Bernt Kamin: „Es gibt reale Chancen, dass die Gewerkschaften Antworten finden auf die Globalisierung, wenn sie das grenzübergreifend organisieren. Die Regelungsrahmen, so begrenzt wie sie zum Teil auch sind, sind in aller Regel Ergebnis von Klassenkämpfen in jahrzehntelangen Auseinandersetzungen gewesen und es macht überhaupt keinen Sinn einfach zu sagen, dagegen ist wohl nichts zu machen. Das Gegenteil ist der Fall, wir sind gut organisiert, wir sind durchsetzungsfähig und wir haben die Fähigkeit diese Auseinandersetzung zu koordinieren und dem auch ein Pflock vorzusetzen.“

Vor allem dem Fiskalpakt muss ein Pflock vorgesetzt werden. Es ist notwendig, „dass ein breiter Protest gegen die Ratifizierung des ‚Fiskalpaktes‘ und ein gemeinsamer Kampf um Alternativen entwickelt wird“, wie es in dem Beschluss des DKP-Parteivorstandes vom 4./5. Februar 2012 heißt. Darum, lasst den Worten Taten folgen.

Gewerkschaftskolumne von Wolfgang Teuber, Chefredakteur der UZ (Vorabdruck aus der UZ vom 29.06.12)