Der Kommentar

18.04.2011: Der globale Kapitalismus produzierte in jüngster Zeit Krisen, die das System oder Teilbereiche dessen an den Rand des GAUs brachten. Allen voran die globale Finanz- und Wirtschaftskrise und die Atom-Katastrophe in Japan. So unterschiedlich die Krisenszenarien auch sind, so manifestieren  sie die Größte Anzunehmende Unfähigkeit der Herrschenden, die Ökonomie zum Nutzen der Menschen zu lenken. Auch bei der Finanzkrise bestand Ja die Gefahr einer letztlich unkontrollierbaren Kettenreaktion, die die Geldinstitute in die Luft jagt und mit ihnen die Ersparnisse und Altersvorsorgen der Kleinen Leute. Der Super-GAU wurde mit dem Einsatz Billionen von Staatsgeldern zumindest vorübergehend moderiert. Doch für die Krisenfolgen bluten die Steuerzahler, die Beschäftigten und Armen sowie die kleinen Staaten, die im internationalen Wettbewerb nicht mehr mithalten können und an den Rand des Staatsbankrotts getrieben werden.

Der Atom-GAU im japanischen Fukushima wiederum ist in seinem Kern die Ausgeburt der globalen  Energiekrise und letztendlich eine Bankrotterklärung der kapitalistischen Produktions- und Lebensweise. Der „american way of life“ entpuppt sich als ein Weg in die Sackgasse. Er erfordert einen solchen Raubbau an Energie und Ressourcen, dass er die „Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter“ (Marx). Jede weitere Ausbeutung fossiler Energie ist mit potenziertem Risiko verbunden. Es bedarf immer mehr krimineller Energie, um der Erde die letzten Energiereserven  zu entreißen. Seien es die riskanten Tiefseebohrungen, mit denen die verstecktesten Öl- und Gasblasen angestochen werden, und die im Golf von Mexico zur Öl-Pest geführt haben; seien es das Ausquetschen der letzten Öltropfen aus Schiefern und Sanden, die in Kanada und USA zur Verwüstung und Vergiftung ganzer Landstriche führen; sei es der millionenfache Hungertod, der auch darin seine Ursache hat, dass immer mehr Getreide als „Bio“-Sprit in die Tanks geschüttet wird, statt als Brot auf den Tellern der Hungrigen zu landen. Und es  sind die grausigen Kämpfe und Kriege ums Öl, die einen immer größeren Blutzoll für das Treib- und Schmiermittel der kapitalistischen Weltwirtschaft abverlangen. Und schließlich resultiert auch die Atomkrise in Japan aus der unersättlichen Gier nach Energie zur Aufrechterhaltung des verschwenderischen Lebensstils. Ein Verlangen nach Energie, das man dadurch zu befriedigen glaubte, indem man weitgehend auf eine energetische Risikotechnologie setzte und diese auch noch in Risikogebieten mit Erdbeben- und Tsunami-Gefahren installierte. Und man schließlich das Risikomoment noch potenzierte, indem man Errichtung und Betreiben der Atommeiler  staatsmonopolistisch verfilzten Konzernen überließ, bei denen Profit vor Sicherheit und Menschenleben geht.

karrikatur_isw_winfo44_s35_bbHier schließt sich der Kreis zur Finanzkrise und spannt sich der Bogen zur Atom-und Strom-Mafia in Deutschland und anderen Ländern. Japan steht stellvertretend für alle Wirtschaftsmetropolen. Es ist nicht die Bösartigkeit der Strombosse, die einen schnellen Ausstieg aus der Atomkraft und fossilen Energieerzeugung und das Umschalten auf regenerative Energie blockiert. Atommeiler, vor allem wenn sie abgeschrieben sind und eigentlich abgewrackt gehören, garantieren die besten Verwertungsbedingungen für das Kapital. Laufzeitverlängerungen bringen Milliarden Extraprofite. Ähnliches gilt für CO2- und Dreckschleudern wie Kohlekraftwerke. Hier sprudeln die Profite am stärksten, ist der Shareholder-Value am größten. Geldkapitalisten und Finanzspekulanten gieren nach solch lukrativen Anlagemöglichkeiten. Allein der Energiekonzern E.ON erwirtschaftete in den vergangenen zehn Jahren 55 Milliarden Euro an Netto-Profit. Bei allen vier Stromriesen – E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall -  die sich BRD in vier Zonen wie Besatzungsmächte aufgeteilt haben, dürften es zusammen über hundert Milliarden sein. Mit diesen Geldern wäre der Einstieg in regenerative Energien nicht nur möglich gewesen, sondern die Energiewende bereits ein großes Stück Realität. Mit Leichtigkeit aber wären damit zusätzliche Windkraft- und Solarenergie-Kapazitäten zu installieren gewesen und  ein schnelles Abschalten maroder und der sukzessive Ausstieg aus der Atomenergie möglich gewesen. So aber schütteten die Energiekonzerne den Großteil ihrer Profite als Dividende an die Aktionäre aus und trieben durch Aktienrückkäufe die Kurse zum Nutzen der Shareholder hoch. Die restlichen Profitmilliarden verwendeten sie für den Aufkauf von Stadtwerken oder die Übernahme anderer Energiekonzernen im Ausland, um noch mächtiger und profitabler zu werden. Ihr Laden läuft geschmiert mit Atom Öl und Kohle, die Restrisiken Kernschmelze, Ökokollaps und Klimakatastrophe trägt die Gesellschaft.

Das Moratorium für Tiefseebohrungen im Golf von Mexico hob Präsident Obama bereits nach wenigen Monaten wieder auf. Das Atom-Moratorium in Deutschland läuft noch wenige Wochen, doch die Atom-Lobby mobilisiert bereits voll zum Roll-Back. Auch Japan wird spätestens in einem halben Jahr zum atomaren Alltag zurückkehren. „Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer“ (Bert Brecht).

Text: Fred Schmid   Grafik: isw_wirtschaftsinfo 44/S. 35 (Bernd Bücking)