Der Kommentar

16.11.2010: Die letzten Wochenenden müssen sich für die Herrschenden in unserem Land wie eine Ohrfeige anfühlen: In vielen Städten kommen mit unterschiedlichen Zielen zehntausende von Menschen zusammen. Im Wendland wird zu Recht die bisher längste Verzögerung des Castor-Transports gefeiert. Doch nicht nur die lange Fahrt des Zuges ist ein Erfolg, weil angepeiltes Ziel der Protestbewegung gegen die Atommüllendlagerung in Gorleben, sondern dass dieses möglich wurde u. a. durch 50 000 Menschen, die demonstrierten, durch Tausende, die sich auf den Schienen dem Zug in den Weg stellten, durch die Bevölkerung der Umgebung, die diesen Widerstand mit organisiert und durchgeführt hat. Gegen die Beschlüsse der Regierung, die im Interesse der Energiekonzerne fast zeitgleich die Verlängerung der Laufzeiten beschließt und dabei gleich daran denkt, die 17 000 PolizistInnen bundesweit zusammenzutrommeln, um die Durchsetzung ihrer Beschlüsse mit staatlicher Gewalt und Repression zu sichern.

EineWoche später finden die ersten großen Demonstrationen gegen den Sozialkahlschlag, gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf den Rücken der Bevölkerung statt. In Stuttgart begrüßt der Landesvorsitzende des DGB die Teilnehmer- Innen in „der neuen Hauptstadt des Protest“. Es ist in der Tat erstaunlich und ermutigend, das trotz – oder wegen?! – der inzwischen wochenlangen Aktionen für den Erhalt des Kopfbahnhofs zu der Kundgebung des DGB über 45 000 Menschen kommen, um gegen das sogenannte „Sparpaket“ zu demonstrieren. In Nürnberg sind es 30 000 und in Dortmund über 14 000, die sich gegen „Gesundheitsreform“, verfehlte Bildungspolitik, prekäre Beschäftigung und gegen Rente mit 67 wehren.

Und es fanden wie an fast jedem Wochenende Aktionen gegen faschistische Aufmärsche und Kundgebungen statt. In München und Bretzenheim wurden die Faschisten dabei von der Polizei geschützt, gegen AntifaschistInnen wurde mit Polizeigewalt vorgegangen. Doch alle diese Demonstrationen, ob gegen Faschismus oder reaktionäre Politik, gegen Atomenergie oder gegen Sozialkahlschlag, haben eines gemeinsam: Viele Menschen sind nicht mehr gewillt eine Politik hinzunehmen, die sich klar gegen die Meinung und demokratischen Rechte der Mehrheit der Bevölkerung richtet. Es sind erste Anzeichen, dass dieser Herbst wirklich heiß werden kann, wenn wir anknüpfen an diese ersten Aktionswochen. Machen wir den Herrschenden mehr Feuer unter dem Hintern und entzünden wir ein Feuerwerk unseres bunten, kreativen Protestes, um so zur Weichenstellung zu einem Politikwechsel beizutragen.

Bettina Jürgensen, Vorsitzende der DKP (Vorabdruck aus der UZ vom 19.11.10)