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12.05.2011: Die chinesische Wirtschaft ist im ersten Quartal 2011 um 9,7 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum gewachsen. Das Wachstumstempo ist damit größer als das von der Regierung angestrebte Wachstumsziel für 2011 in Höhe von 8 Prozent. Das wirft Fragen nach übermäßigen Ressourcenverbrauch und weiterer Umweltbelastung auf (siehe dazu isw-report 83/84: China – Krise als Chance?). Dennoch ist an dieser Quartalsentwicklung einiges bemerkenswert: Das Wachstum war in diesem Zeitraum nicht mehr exportgetrieben. Und zweitens entwickelt sich der private Konsum zu einer entscheidenden Wachstumskomponente.

Der Außenhandel leistete sogar einen negativen Wachstumsbeitrag – von 0,5 Prozentpunkten - , denn die Importe stiegen mit + 32,6 % schneller als die Exporte: + 26,5 %. Mehr noch: Erstmals seit 2004 wurde im Außenhandel in einem Quartal wieder ein Defizit eingefahren. 399,6 Milliarden Dollar Exporten standen Einfuhren von 400,7 Milliarden Dollar gegenüber. China bemüht sich seit drei Jahren erfolgreich durch vermehrte Importe seinen Exportüberschuss zu minimieren. Für dieses Jahr rechnen Experten damit, dass zwar in den jetzt folgenden Quartalen wieder Exportüberschüsse erzielt werden, diese aber nicht mehr so hoch ausfallen als in den vergangenen Jahren. „Handelsbilanzüberschuss für das gesamte Jahr wird sich auf 120 Milliarden Dollar vermindern“, erklärte die Bank of Communications in einem Bericht (10.5.11). Im vergangenen Jahr betrug der Überschuss noch 183 Milliarden Dollar.

China ist inzwischen das zweitgrößte Importland der Weltwirtschaft. Die vermehrten Importe sind auch Folge der gestiegenen Binnennachfrage, insbesondere im Bereich des Privaten Konsums. Allerdings schlugen auch erhöhte Rohstoff- und Energiepreise (Erdöl) infolge der verstärkten Nachfrage aus den boomenden Schwellenländern und den Unruhen in den arabischen Ländern zu Buche. Schließlich hat auch der leicht aufgewertete Yuan die Importe erleichtert. Der Kurs des Yuan gegenüber dem Dollar stieg seit Juni vergangenen Jahres um knapp fünf Prozent.

Die Wachstumskomponenten im ersten Quartal waren zum einen die Anlageinvestitionen, die um 25 %  (+ 31,6 % bei den privaten Investitionen) gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum stiegen und 4,3-Prozentpunkte am 9,7 %-igen BIP-Zuwachs ausmachten. Zum anderen der Konsum (einschließlich des Staatskonsums), der 5,9-Prozentpunkte beitrug. Für ein weitgehend konsumgetriebenes Wachstum sprechen auch die Einzelhandelsumsätze, deren Wachstumsraten seit Monaten im zweistelligen Bereich liegen: 2010 im Jahresdurchschnitt bei 18,5 % und vom Januar bis April 2011 + 16,5 %. (Zum Vergleich: Trotz „Aufschwung“ stagnieren in Deutschland die Einzelhandelsumsätze und gingen sogar leicht zurück. Grund sind die stagnierenden und schrumpfenden Reallöhne). Ein wichtiger Treibsatz für die chinesische Konsumentwicklung sind die gestiegenen Einkommen. So stiegen im ersten Quartal die verfügbaren Einkommen der städtischen Bevölkerung um + 7,1 %, die der Bewohner auf dem Land um mehr als das Doppelte, nämlich um 14,3 %. Diese Entwicklung ist insofern bemerkenswert, als in den vergangenen Jahren die Einkommen bei den ländlichen Haushalten hinterherhinkten. In dieser Zunahme schlägt sich offenbar die kräftige Erhöhung der Mindestlöhne – im Durchschnitt um 24 % - in allen chinesischen Provinzen im vergangenen Jahr nieder, die vor allem den Wanderarbeitern (in China: „Bauernarbeiter“) zugute kam. Die Einkommenssteigerungen gehen in diesem Jahr weiter: In 13 Provinzen wurden bislang die Mindestlöhne im Durchschnitt um 22,8 % im Durchschnitt erhöht.

Das Hauptproblem der chinesischen Wirtschaft ist gegenwärtig die inflationäre Entwicklung. Die Verbraucherpreise tendieren seit 32 Monaten nach oben und erreichten im März mit einem Zuwachs des Lebenshaltungskosten-Index von 5,4 %  gegenüber dem Vorjahr ihren vorläufigen Höhepunkt. Im April ging der Anstieg zwar leicht zurück, auf + 5,3 % - es wird aber mit weiteren Erhöhungen  gerechnet, obwohl die Regierung eine Reihe von dämpfenden und kontrollierenden Maßnahmen ergriffen hat. Für China ist das ein sehr kritischer Wert; die Warnlinie der chinesischen Regierung liegt bei drei Prozent inflationäre Entwicklung. Besonders stark fallen die gestiegenen Nahrungsmittelpreise ins Gewicht:  + 11 Prozent. Lebensmittel schlagen im chinesischen Warenkorb mit einem Drittel zu Buche (in Deutschland z.B. nur neun Prozent). Die wesentlichen Gründe sind Dürre bzw. Überschwemmungen in weiten Landesgebieten, aber auch die gestiegenen Weltmarktpreise bei Nahrungsmitteln, Energie- und Rohstoffen. Mit dem Problem kämpfen zur Zeit alle Schwellenländer, die meist weit höhere Preissteigerungsraten als China zu verkraften haben. Preistreibend wirken auch die Fluten ausländischen Kapitals in die Schwellenländer, in Form von Direktinvestitionen, aber auch als „heißes Geld“, das auch in China  – trotz Kapitalverkehrskontrollen -  z.B. via Hongkong ins Land strömt und die Nachfrage nach  Immobilien und Aktien anheizt. Im Immobiliensektor sind die Häuserpreise weitgehend außer Kontrolle. Die staatlichen Maßnahmen, die Luft aus der Immobilienblase nehmen sollen, zeigen bislang eine beschränkte Wirkung.

Text: Fred Schmid, isw   Photo: China Daily