Internationales

09.03.2011: "Die Schlagzeilen klingen schon wieder nach Krieg ... Das Säbelrasseln ist nicht zu überhören", hieß es schon am 1. März bei Spiegel- Online. Auch am vergangenen Wochenende wurde das Instrumentarium für eine massive Militärintervention der USA und der NATO in den in Libyen ausgebrochenen Bürgerkrieg voll in Aktionsbereitschaft gehalten.

Auf der griechischen Insel Kreta wurden etwa 5 000 Mann starke US-Kampfeinheiten sprungbereit auf der Militärbasis Souda stationiert. Zwischen Kreta und der libyschen Küste operieren die Kriegsschiffe "Kearsarge" und "Ponce". Sie können aus ihren Rümpfen Amphibien-Sturmboote für Landungsoperationen aussetzen und diese zugleich durch auf ihnen stationierten Hubschrauber- Staffeln unterstützen.

Der US-Flugzeugträger "Enterprise" mit Jagdflugzeugen an Bord steht an der Nordspitze des Roten Meeres vor dem Suezkanal gleichfalls zum Einsatz bereit. Auf dem Flughafen Souda-Akrotiri wurden "Spezialeinheiten" aus mehreren NATO-Staaten zusammengezogen, darunter auch aus Deutschland (!).

Vorrangig scheinen sich die NATO-Strategen in den letzten Tagen zunächst aber auf die Durchsetzung einer "Flugverbotszone" über Libyen orientiert zu haben. Dies wohl vor allem aus Angst, dass ein direktes Eindringen in Libyen mit Bodentruppen zu einem starken Aufflammen antiimperialistischer Stimmungen in ganz Afrika und anderen Weltteilen führen würde. Dafür gab es allerdings bislang noch keine Zustimmung im UNO-Sicherheitsrat, auch nicht bei allen NATO-Regierungen. Auch das wäre jedoch eine schwerwiegende militärische Operation, die massive Bombenangriffe auf Gaddafis Luftabwehr zur Voraussetzung hätte.

Zu jedem Krieg gehört der Propagandakrieg. Mit zahlreichen Berichten in den westlichen Medien über blutige Gräueltaten, schreckliche Toten- und Flüchtlingszahlen und angeblich drohendem Einsatz von Giftgas sollen - wie seinerzeit vor dem Irak-Krieg - die Köpfe für den kommenden "humanitären" Militärschlag vorbereitet werden.

Während die Demonstranten in Tunesien und Ägypten in den vergangenen Wochen aus den westlichen Hauptstädten stets zu "friedlichem Vorgehen" und zum "Dialog" mit den herrschenden Machthabern ermahnt worden waren, gilt in Libyen eine andere Strategie. Da werden bewaffnete Milizen der Aufständischen zum Sturz des Gaddafi-Regimes mit Waffengewalt ermuntert. Deshalb wurde auch die Initiative des venezolanischen Staatspräsidenten Chávez, eine internationale Vermittlungsmission nach Libyen zu schicken, sowohl von den USA und anderen NATO- Staaten wie von den "Rebellengruppen" sofort abgelehnt.

Es gibt keinen Grund, für das Gaddafi-Regime von heute besondere Sympathie zu empfinden. Die Zeit, in der er als Verfechter eines "arabischen Sozialismus" in der Weltpolitik objektiv eine antiimperialistische Rolle spielte, ist seit längerem vorbei. Seit mindestens einem Jahrzehnt hat er mit Washington Frieden gemacht und sich für die EU zum Büttel der "Festung Europa" beim Einfangen von Flüchtlingen bereits auf libyschem Boden machen lassen. Innenpolitisch wurde ein Kurs der Privatisierung von Staatsbetrieben eingeleitet.

Keine Sympathie - das gilt in gleicher Weise aber auch für seine Gegner, die in den westlichen Medien so liebevoll gelobten "Freiheitskämpfer". Jahrelang haben die Clan- und Stammeschefs im Osten Libyens die Einnahmen aus dem Öl-Export mit Gaddafi geteilt. Jetzt wollen sie offenbar alleinige Nutznießer werden. Es ist kein Zufall, dass sie sich die Fahne des früheren Königs Idris zum Symbol genommen haben, der einst als Chef der islamistischen Senussi-Bruderschaft von der britischen Kolonialmacht auf den Thron gehievt worden war.

Es kann nach den Kriegen im Irak und in Afghanistan kaum einen Zweifel geben, dass auch in Libyen hinter der Unterstützung der "Aufständischen" durch die westlichen Metropolen wesentlich handfestere Gründe stehen als die vorgeschobene "humanitäre" Sorge um Menschenleben und Demokratie. Libyen hat riesige Öl-Reserven, und die könnten noch für Jahrzehnte sprudelnde Profite für westliche Ölkonzerne abwerfen. Und zugleich ist das Land in einer Zeit, in der die Vorherrschaft der USA und ihrer Verbündeten im Nahost-Raum in Zukunft immer mehr gefährdet sein könnte, zwischen Tunesien und Ägypten gelegen, auch geostrategisch von größter Wichtigkeit.

Es gibt in dieser Situation nur eine vernünftige und moralisch gerechtfertigte Haltung: Ablehnung jeder imperialistischen Einmischung in die inneren Auseinandersetzungen in Libyen, Forderung nach Einstellung der Kämpfe und friedlicher Regelung des Konflikts. Was aus Libyen wird, müssen allein die Libyer entscheiden.

Text: Georg Polikeit    Foto: BRQ Network