Internationales

14.12.2010: Was in Mexiko vereinbart worden ist, ist Kosmetik. Die großen Treibhausbefeuerer haben den Gipfel nicht platzen lassen, weil ihnen die Ergebnisse nicht weh tun. Wäre es anders, hätte Bolivien nicht als einziges Land die Zustimmung verweigert. "Das Ergebnis von Cancun zeigt das Kräfteverhältnis heute in der Überlebensfrage des globalen Klimawandels," schreibt Helmut Selinger, Klimaexperte des Instituts für sozialökologische Wirtschaftsforschung isw (www.isw-muenchen.de), in einer Stellungnahme zur Klimakonferenz in Mexiko.

Weiter heißt es:  "Eines der ärmsten Länder der Welt, Bolivien - mit seinem Indio-Präsidenten Evo Morales - vertritt am Ende symbolisch alleine das Menschheitsgewissen. Es opponierte gegen einen unzulänglichen und zum Teil sogar direkt falschen und gefährlichen sogenannten "Kompromiss" zwischen den reichen und den armen Ländern."

In der turbulenten, letzten Sitzung in der Nacht vom 10. auf den 11.12. hat die mexikanische Vorsitzende, die Außenministerin Patricia Espinosa ein Paket von 26 Papieren - die sog. "Cancun Aggreements" - als Beschluss von 193 Ländern deklariert, obwohl Bolivien massiv dagegen argumentierte und seine Zustimmung verweigerte. Sie sagte lediglich, die Einwände Boliviens würde in einer Fußnote zu den Vereinbarungen vermerkt.

In den Massenmedien - "Neue Hoffnung für das Weltklima" (Süddeutsche Zeitung, 13.12.2010) - und von den Politikern der kapitalistischen Zentren - ein "guter Schritt nach vorne" sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel - werden diese "Beschlüsse" als "Erfolg" (Bundesumweltminister Röttgen) gefeiert und als Basis für die nächste UN-Klimaverhandlung in Durban positiv gewertet. Damit sei das Kopenhagen- Desaster überwunden und internationale Klimaverhandlungen wieder konstruktiv möglich.

Obwohl einigen Pazifikinseln das Wasser schon bis zum Halse steht und die Klimaveränderungen immer größeren Schaden anrichten, wurden in Cancún keinerlei verpflichtende Vereinbarung getroffen.
Als Erfolg wird gewertet, dass in der Präambel formuliert wird, dass sich die Erde auf lange Sicht um höchstens 2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erwärmen darf. Allerdings reichen die von den Ländern bisher vorgelegten freiwilligen Ziele reichen bei weitem nicht aus, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Nach wissenschaftlichen Berechnungen würden diese freiwilligen Verpflichtungen zu einer Erhöhung der mittleren globalen Durchschnittstemperatur um 3,6 bis 4 Grad Celsius führen. Bezüglich des Kyoto Protokolls, das Ende 2012 ausläuft, wird immerhin bekräftigt, dass die Unterzeichnerstaaten insgesamt bis 2020 ihre CO2-Emissionen um 25-40% unter den Stand von 1990 absenken sollen. Eine zweite Verpflichtungsperiode des Protokolls wird zwar erwähnt, aber auch hier sind keine konkreten Vereinbarungen getroffen worden. Damit ist der wichtigste Punkt zur Bekämpfung des Klimawandels - nämlich die ambitionierte Reduktion der Treibhausgase in den industrialisierten reichen Ländern in keiner Weise geregelt.

Zum Klimafonds für die Unterstützung der armen Länder werden die Absichtserklärungen von Kopenhagen wiederholt. Für den Zeitraum von 2010 bis 2012 sagten Industrieländer 30 Mrd. Dollar zu. Wie aber inzwischen bekannt wurde, haben Industrieländer zum großen Teil kaum neue Gelder zugewiesen, sondern lediglich schon anderweitig zugesagte Entwicklungshilfe-Gelder umetikettiert. Obwohl gerade in der jüngsten Zeit das Marktversagen offensichtlich wurde, wird in den Dokumenten wird immer wieder positiv auf Marktmechanismen verwiesen. Selinger meint, dass die Texte "den Geist einer ungetrübten Marktgläubigkeit" ausstrahlen.

Der DKP-Vize Leo Mayer kritisiert das Ergebnis der Klimakonferenz ebenfalls heftig. Die Vertreter der imperialistischen Zentren hätten die Interessen der dominanten globalen Energie-, Chemie-, Auto-, Flugzeug- und Militärindustrie erfolgreich vertreten. Sie wollen, so sagt er, die damit verbundene Art der Produktion und Konsumtion und die entsprechende Lebensweise unverändert weiterführen. Dabei sei klar, dass diese kapitalistische Produktions- und Konsumtionsweise nicht auf die gesamte Menschheit verallgemeinert werden könne und bereits jetzt an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit der Natur führe. Erforderlich sei ein rascher Einstieg in den sozialökologischen Umbau, der mit guter, existenzsichernder Arbeit und radikaler Demokratisierung von Staat, Gesellschaft und Betrieb verbunden sein müsse. Er unterstützt die Forderung der bolivianischen Regierung zur Umsteuerung der weltweiten Rüstungsausgaben in den Fond zur Rettung des Klimas. Das würde die in Cancún anvisierten 100 Milliarden um ein 15-faches übersteigen. Außerdem müsse sich Deutschland und die Europäische Union jetzt auf eine Reduzierung der Emissionen um mindestens 40% bis 2020 verpflichten.

Josef Ackermann, Vorstandschef der Deutschen Bank, hatte von der Klimakonferenz Fortschritte erwartet, damit der globale Markt für den Emissionshandel in Schwung kommen könne. Selinger vom isw schlägt einen anderen Ansatz vor (Eine gerechte Verhandlungsgrundlage). Als eine vernünftige und gerechte Verhandlungsgrundlage solle ein globaler CO2-Budgetansatz genommen werden. Um dieses globale Gesamt CO2-Budget gleichmäßig auf die Staaten der Erde zu verteilen gebe es unter dem Aspekt der Klimagerechtigkeit kein anderes vernünftiges Prinzip als einen Pro-Kopf-Schlüssel, d.h. jedem Erdbewohner steht das gleiche Recht auf ein bestimmtes Maß an CO2-Emissionen zu.

Selinger und Mayer sind sich einig, dass Cancun keinen wirksamen, effektiven und gangbaren Weg zur Lösung der Klimaproblematik eröffnet hat. Nur durch den Druck der weltweiten Klimabewegung im Bündnis mit Regierungen wie Bolivien könne eine Wende in der Klimapolitik erreicht werden. Nach wie vor bleibe die Losung der globalen Klimabewegung von Kopenhagen richtig: Systemwechsel – nicht Klimawandel!

txt: lm
foto: sarahamina