Internationales

alt27.11.2010:  Nachdem am Dienstag der letzten Woche nordkoreanisches Militär etwa 200 Artilleriegranaten auf die von Südkorea kontrollierte Insel Yeongpyoeng (an der südlichen Meeresgrenze des Landes und etwa 11 km vom Festland entfernt gelegen) abgefeuert hatte, Südkorea den Beschuss erwiderte und während dieses Scharmützels Gebäude zerstört und 4 Menschen auf südkoreanischer Seite getötet wurden, waren sich die herrschenden westlichen Medienideologen nicht nur durchweg einig, dass es sich um eine einseitig von Nordkorea ausgelöste Provokation handelte.

Nicht wenige solcher Stimmen forderten mehr oder weniger lautstark, dass die Regierung der VR China endlich ihren Verbündeten und Freund, die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) an die Kandare nehmen und zur Ruhe bzw. zum Stillhalten zwingen müsse. Dass Südkorea und die USA seit 1953 der DVRK Verhandlungen über einen Friedensvertrag verweigern, dass Südkorea seit Jahrzehnten an der südlichen Meeresgrenze Nordkoreas mit Kriegsschiffen und Manövern Macht demonstrierend provoziert, dass solche provokativen Manöver nach dem Untergang der südkoreanischen Fregatte Cheonan im Frühjahr 2010 noch verstärkt und gegen nachdrückliche Verzichtsforderungen der VR China statt fanden, dass ab morgen wieder ein demonstratives 4-tägiges Marinemanöver unter Beteiligung des US Flugzeugträgers 'George Washington' und weiteren US-Kriegsschiffen im Gelben Meer abgehalten wird - das alles (und noch etliches mehr dieser Art könnte aufgelistet werden) gilt diesen Stimmen der imperialistischen Propaganda nichts.

Die VR China hat ihren Standpunkt und ihre Sicht inzwischen deutlich und erkennbar gemacht. Am heutigen Samstag berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, dass der chinesische Außenminister Yang Jiechi sich am Freitag mit dem Botschafter der DVRK Chi Jae Ryong in Peking getroffen und Telefongespräche mit US-Außenministerin Hillary Clinton und dem südkoreanischen Außenminister Kim Sung-hwan geführt habe. In all diesen Gesprächen ging es um die Spannungen und Konflikte der letzten Zeit rund um die koreanische Halbinsel. Yang betonte, dass China dem Schusswechsel zwischen der DVRK und der Republik Korea (RK) größte Aufmerksamkeit widme und sehr besorgt über die weitere Entwicklung sei.  

Yang forderte, dass die DVRK und die RK sich ruhig und zurückhaltend verhalten, sobald wie möglich Gespräche miteinander aufnehmen und die Probleme durch Verhandlungen und Dialog lösen sollten. Es sei dringend, die Lage unter Kontrolle zu halten und ähnliche Zwischenfälle zu vermeiden. Die Parteien sollten aktiv auf Frieden hinarbeiten und Gespräche miteinander führen, und veranwortungsvoll gemeinsam Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel sichern. Die betroffenen Parteien sollten ebenfalls auf eine schnelle Wiederaufnahme der Sechser-Gespräche hinarbeiten und den Prozess zur Schaffung einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel vorantreiben.

Gleichfalls am Freitag der letzten Woche hatte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Hong Lei, im Hinblick auf die ab heute geplanten Marinemanöver der Republik Korea und der USA im Gelben Meer und angeblich über 100 Meilen vom Festland entfernt betont: "Wir haben dazu eine klare und feste Haltung. Wir sind entschieden gegen jedwede Militäraktionen einer anderen Partei in unserer ausschließlichen Meeres-Wirtschaftszone, die ohne unsere Zustimmung erfolgen."

Neben diesen diplomatischen Erklärungen machte ein Kommentar der durchaus als halbamtlich zu bezeichnenden 'Global Times' von heute die chinesische Position und Lageeinschätzung, die deswegen hier zitiert sei, unverhüllter deutlich:

Nach dem neuerlichen Artilleriegefecht auf der koreanischen Halbinsel scheint Nordkorea als einzige Partei gewonnen zu haben, aber Pjöngjang trinkt offenbar zur Stillung seines Durstes Gift. Mit gesenktem Kopf läuft es auf einer Straße, die ins Nichts führt. Geht die koreanische Halbinsel den Weg in eine gefährliche Sackgasse?

Stabilität ist das gemeinsame Ziel aller beteiligter Länder. So wünscht Nordkorea die Aufrechterhaltung einer stabilen Regierung, der Süden möchte eine sichere Grenzregion haben. In Chinas Interesse ist es, eine Situation ohne Zwischenfälle auf der koreanischen Halbinsel zu bewahren, die USA möchten ihren Einfluss in Nordost-Asien unbedroht sehen. Japan und Russland haben ähnliche Interessen wie China oder die USA.

Jedoch wird dieses Ziel oft durch andere Interessen gestört, vorrangig durch die Entwicklung von Nuklearwaffen des Nordens und seiner andauernden Provozierung. Zusätzlich verursacht das in sich unstimmige politische Vorgehen der USA und Südkoreas gegenüber Pjöngjang tendenziell überzogene Handlungen des Nordens.

Es gibt so gut wie kein strategisches Vertrauen zwischen den betroffenen Parteien. Die Anstrengungen Chinas zur Förderung regionaler Stabilität werden oft durch die strategischen Absichten der USA im westlichen Pazifik ausgehebelt. Nordkorea weist ebenso oft Chinas Bemühungen die kalte Schulter. Das Vor und Zurück bei den Sechser-Gesprächen zeigt diese Schwierigkeiten beispielhaft.

Der Hardliner-Ansatz der USA wird auf der koreanischen Halbinsel kaum Erfolg haben. Falls doch, wäre das eine Niederlage für Chinas Diplomatie und würde China unerträgliche strategische Risiken bringen. Ebenso unmöglich wird wohl auch Chinas zurückhaltende Einstellung die Oberhand gewinnen können, weil das eine - wenn auch dringend benötigte - grundsätzliche politische Neuorientierung der USA, Südkoreas und Japans bedeuten würde.

Diese Pattsituation wird anhalten und die Toleranz aller beteiligten Parteien auf den Prüfstand stellen. Wie die Dinge jetzt liegen, wird Südkorea weiterhin im Schatten seiner anhaltenden Provokation des Nordens stehen, während Pjöngjang weiter unter Isolation und Armut leiden wird, die nach jedem Zwischenfall noch zunehmen.

Es scheint so,  dass von allen Ländern mit Grundinteressen in der Region Südkorea vor allem die Initiative zur Neuausrichtung seiner Politik ergreifen könnte und sollte. Nur ist die Frage, ob es das auch will?

Südkorea scheint diese Frage sichtlich weiter mit NEIN beantworten zu wollen. Ausdruck dieser Haltung sind nicht nur die schon erwähnten Marinemanöver bis Ende November in enger Zusammenarbeit mit den USA. Gleichzeitig wurden am letzten Donnerstagabend erneut Propagandaballons mit 400.000 Flugblättern von Südkorea aus in Richtung Norden losgelassen, die Teil der südkoreanischen psychologischen Kriegführung zum Umsturz des nordkoreanischen Gesellschaftssystems sind. Bereits im Sommer hatte Südkorea auch die Propaganda gegen die DVRK durch Großlautsprecher an der Grenze wieder aufgenommen. Es brach damit eine Vereinbarung aus dem Jahre 2004 zwischen beiden Staaten Koreas zur Einstellung aller derartiger Propagandaaktivitäten.

Letztlich gehört auch das Gefecht im Yeongpyoeng-Seegebiet vom letzten Mittwoch in die Kategorie der von Südkorea praktizierten Provokationen des Nordens. Die Grenzziehung in diesem Bereich ist von Südkorea bzw. den USA einseitig festgelegt worden, das Seegebiet betrachtet die DVRK als eigenes Hoheitsgebiet. Die militärische Führung Nordkoreas hatte Südkorea wiederholt gewarnt, in diesem Seegebiet  Artilleriegranaten zu verschießen - man werde das als Verletzung des eigenen Hoheitsgebietes betrachten und entsprechend reagieren. Trotzdem hatte Südkorea am Mittwoch (23.11. ab 13 Uhr) begonnen, Dutzende Artilleriegranaten in das umstrittene Seegebiet im Rahmen seiner Marineübung 'Hoguk' zu verschießen. Erst daraufhin hatte Nordkorea - aus eigener Sicht zur Selbstverteidigung - auf diese offensichtliche Provokation durch Südkorea reagiert und die Insel Yeongpyoeng beschossen.

Text: hth  /  Foto: UNC-CFC-USFK  (eine weitere Provokation: US-General Walter Sharp am 26.11. zur Unterstützung Südkoreas auf der Insel Yeongpyoeng)