Internationales

alt01.06.2010:  Mit einer kaum überbietbaren Brutalität und Gewissenlosigkeit hat Israel am gestrigen Frühmorgen die humanitären Hilfssendungen der 'Freiheitsflotte' der internationalen Free-Gaza-Bewegung angegriffen. Die dabei verübten Morde an über 10 Aktivisten sind auch in der langen Geschichte zionistischer Aggression beispiellos, genauso wie der offene Bruch internationalen Rechts auf Hoher See. Und das alles geschah natürlich - wie heute offiziell die israelische Regierung wieder log - zur Selbstverteidigung.

Insgesamt 7 Schiffe hatten sich seit etlichen Tagen schon aufgemacht, um dringend benötigte Hilfsgüter (insgesamt 10.000 Tonnen) über See zu dem von Israel seit Jahren extrem blockierten Gaza-Streifen zu schaffen. Auf dem größten Schiff 'Mavi Marmara' unter türkischer Flagge befanden sich etwa 600 Freiheitsaktivisten, weitere 100 Menschen auf noch zwei Transportern und drei kleinen Schiffen. Das siebente Schiff, die 'Rachel Corrie' war schon früher und gesondert von Irland aus aufgebrochen.

Schon in den Tagen und Wochen der Vorbereitung der Friedensflotte hatten israelische Behörden und Staatsvertreter die humanitäre Aktion verteufelt und verleumdet und offen gedroht, sie mit Gewalt verhindern zu wollen. An der Hetze gegen die Freiheitsaktivisten der Free-Gaza-Bewegung stimmten auch die deutschen rechten bürgerlichen Blätter und Medienstimmen ein. Ein Glanzstück eigener Art lieferte die Narbe in der 'Achse des Guten' Henryk M. Broder im Spiegel: "Das von Armut, Hunger und Mangel an medizinischer Versorgung ausgepowerte Gaza bietet die idealen Bedingungen für einen Abenteurerurlaub. Auf dem kurzen Weg dorthin können sich die Teilnehmer der Friedensmission in masturbatorische Phantasien hineinsteigern ..., wohl wissend, dass ihnen kein Haar gekrümmt wird." Ob er sich auch heute noch dieser seiner Phantasien erinnert.

Die israelische Marine jedenfalls zeigte das, was sie gegenüber Palästinensern und ihrer arabischen Umgebung schon seit Jahrzehnten als 'Selbstverteidigung' praktiziert auch gegenüber der Friedensflotte. Gegen 4.30 Uhr am Montagmorgen besetzten schwer bewaffnete Elitesoldaten von Hubschraubern aus das Haupschiff 'Mavi Marmara' und begannen ohne lange Vorwarnungen auf Protestierende und sich Wehrende zu schießen. Auch die anderen Schiffe wurden so besetzt. Über zehn Menschen wurden erschossen, Dutzende verletzt. Dabei befanden sich die Schiffe in internationalen Gewässern, rund 70 Seemeilen (120 km) vor der Küste auf Hoher See und fernab vom Territorium Israels, womit der israelische Einsatz den Charakter eines Piratenüberfalls erhält. Selbst in der eigentlichen Hoheitszone von 12 Seemeilen vor der Küste muss ein Staat nach internationalem Seerecht grundsätzlich noch die Durchfahrt ziviler Schiffe dulden.

Israels offizielle Stellen wussten natürlich gleich, dass die eigentlichen Gewalttäter die Anwesenden auf den Schiffen der Friedensflotte waren. Die Soldaten hätten nur 'Selbstverteidigung' praktiziert, der stellvertretende Außenminister Ayalon erklärte, dass die Friedensflotte eine "vorsätzliche und abscheuliche Provokation" gewesen sei. Dabei hätten die Menschen an Bord die Absicht gehabt, Gewalt einzusetzen, deshalb wäre es jetzt auch dazu gekommen. Dass Israel schon mit der Besetzung der Schiffe illegale Gewalt angewendet hatte, spielt in diesen zionistischen Kreisen keine Rolle: wer sich gegen Unterdrückung wehrt, der ist der Gewalttäter! Das ist die gleiche Haltung, unter der seit Israels Staatsgründung die palästinensische Nation leidet.

Während in aller Welt heftige Reaktionen, Verurteilungen und Proteste auf die israelische Militäraktion folgten, war die deutsche Bundesregierung einmal mehr eher auf der Seite des israelischen Militärs und seiner politischen Führung, als auf der Seite der Menschenrechte. Das man sich "bestürzt" und "tief besorgt" zeigt, sagt noch nichts besonderes aus. Wenn man aber - so Regierungssprecher Wilhelm - betont, dass jede Bundesregierung "vorbehaltlos das Recht Israels auf Selbstverteidigung" unterstütze, und man "nicht nach dem ersten Anschein urteilen" solle, so sind alle anderen rethorischen Girlanden darum herum doch eher nur Makulatur.

Naturgemäß besonders heftig war die türkische Gegenreaktion auf den israelischen Piratenakt. Denn 400 Teilnehmer auf der Friedensflotte waren türkische Staatsbürger. Das türkische Außenministerium verurteilte die israelische Aktion in scharfen Formulierungen und wies auf "irreparable Schäden" der Beziehungen beider Staaten zueinander hin. Vizeministerpräsident Arinc erklärte, dass der türkische Botschafter aus Jerusalem abberufen würde und mehrere Militärabkommen mit Israel gekündigt werden sollen. (Es wäre gut, wenn diesen Ankündigungen auch tatsächliche Umsetzungen folgten.) Außerdem werde die Türkei zu dem Vorgang eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates - die Türkei ist dort derzeitig nicht-ständiges Mitglied - beantragen.

Die Empörung in der türkischen Bevölkerung ist in jedem Fall extrem groß. Denn die Mehrzahl der ermordeten Schiffspassagiere waren türkische Staatsangehörige. Zehntausende Menschen protestierten deshalb gestern schon bald im Tagesverlauf auf dem Taksim-Platz in Istanbul und vor dem israelischen Konsulat.

Heute nun verurteilte der UN-Sicherheitsrat die militärische Aktion Israels gegen die Friedensflotte nach zehnstündiger Beratung. Er forderte die sofortige Freilassung der von Israel aufgebrachten Schiffe, die Freilassung aller festgenommenen Zivilpersonen und eine sofortige unparteiische, glaubwürdige und transparente Untersuchung. Jedoch kann man sicher sein, dass Israel auch diese Resolution des UN-Sicherheitsrates - wie fast alle es betreffenden vorher - missachten wird.

Wirkungsvoller und notwendig sind weitere Solidaritätsaktionen der Free-Gaza-Bewegung (schon nehmen zwei weitere Schiffe Kurs auf Gaza) und der friedliebenden Völker in aller Welt. Durch solche Aktionen (Demonstrationen, Kundgebungen, Protestschreiben, Organisation von Hilfsgütern, ...) kann vielleicht auch erzwungen werden, dass Israel die beschlagnahmten Hilfsgüter der Friedensflotte doch noch nach Gaza hin ausliefern muss. Und die gestrige spontane Öffnung des agyptischen Grenzüberganges Rafah in den Gaza-Streifen für alle Palästinenser wäre ohne die breite Empörung über Israels Militäraktion sicher nicht erfolgt.

Bei dem Angriff der israelischen Marine hat Israel u.a. auch 15 Journalisten, die an Bord der Schiffe waren und  über die humanitäre Hilfsaktion berichtet haben, festgenommen. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert die unverzügliche Freilassung ihres Mitglieds Mario Damolin , freier Korrespondent der FAZ, aus der israelischen Haft, ebenso wie die aller anderen festgenommenen Kolleginnen und Kollegen . Nach Angaben der FAZ ist Damolin derzeit in einem Gefängnis in Be'er Scheva im Süden des Landes inhaftiert. Der Journalist hatte sich zuvor geweigert, das Land zu verlassen. Mitarbeiter der deutschen Botschaft seien auf dem Weg zu der Haftanstalt.

Über den genauen Verbleib der anderen 14 Journalisten gibt es nach Informationen von „Reporter ohne Grenzen“ bislang keine gesicherten Informationen. Die 5 deutsche Aktivisten , die die Aktion begleitet hatten,zwei Abgeordnete der Fraktion Die Linken, Inge Höger und Annette Groth, Matthias Jochheim, stellvertretender Vorsitzender der IPPNW, Norman Paech, emeritierter Hochschullehrer und IPPNW-Beiratsmitglied sowie der in Deutschland lebende (deutsche) Palästinenser Nader el Saqa von der Palästinensischen Gemeinde Deutschland, sind mittlerweile wieder in Deutschland eingetroffen.

In vielen Orten wird mittlerweile zu Mahnwachen und Demonstrationen gegen den Angriff auf die Gaza Freedom Flotilla aufgerufen.Anhängend ein gestriger Aufruf zu Unterstützungs- und Protestaktionen aus aktuellem Anlass, dem zu folgen wir hier ebenfalls aufrufen, und eine Liste von geplanten Aktionen. Aktuelle Infos unter

weitere Infos zu Mahnwachen unter

www.freegaza.de  oder www.kopi-endederbesatzung.de/86.0.html#c324

Hilfe für die Opfer des Gaza-Kriegs - Solidaritätsprojekt der DKP

Text: hth  /  Foto: hamoid