Wirtschaft

rolf becker elmshorn 01051617.05.2016: Für den Schauspieler Rolf Becker, langjähriges Mitglied der Gewerkschaft ver.di, ist es selbstverständlich, an den jährlichen 1. Mai-Demontrationen des DGB teilzunehmen. Wir dokumentieren seine rede auf der Mai-Kundgebung in Elmshorn, veranstaltet vom DGB Kreisverband Pinneberg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Dank, dass ich hier heute zu Euch sprechen darf. Dank dem DGB Kreisverband Pinneberg und seinem Vorsitzenden Peter Brandt. Dank Euch für Euer Kommen – an diesem 1. Mai und wann immer es darum geht, angesichts der fortschreitenden Aushöhlung sozialer Standards unsere Rechte zu verteidigen: das Recht auf Arbeit, das Recht auf ein angstfreies, menschenwürdiges Dasein, das Recht unserer Kinder auf eine lebenswerte Zukunft. Rechte, die täglich und fortschreitend eingeschränkt werden – durch Lohnraub, Arbeitsplatzabbau, Reduzierung von Ausbildungsplätzen, Kürzungen bei Kindergärten, Schulen und Universitäten, Sparzwänge im Gesundheitswesen, Rentenklau, Ausgrenzung von Menschen, die im derzeitigen Produktionsprozess nicht benötigt werden und aus Sicht derer, die von ihm profitieren, überflüssig werden.

 

Eine „natürliche Folge“ der Krise? Eine Folge, wie uns und Bevölkerungen wie der Griechenlands immer wieder vorgehalten wird, der angeblichen Tatsache, wir hätten „über unsere Verhältnisse gelebt“. Ich zweifle. Zweifle mit Bertolt Brecht, der 1930, in der Anfangsphase der vorigen wirtschaftlichen Krise, deren Folgen der Faschismus in Deutschland und der 2. Weltkrieg waren, mahnte:

Nichts werde natürlich genannt
In solcher Zeit blutiger Verwirrung
Verordneter Unordnung, planmäßiger Willkür,
Entmenschter Menschheit, damit nichts
Unveränderlich gelte.

Derselbe Brecht, der drei Jahre später, als die wirtschaftliche zur politischen Krise führte, konstatierte und fragte:

Was immer du tust
Es wird nicht genügen
Die Lage ist schlecht
Sie wird schlechter.
So geht es nicht weiter
Aber was ist der Ausweg?

Was ist der Ausweg? Ich will versuchen mich einer Antwort anzunähern – nicht aufgrund meiner Gedanken, sondern weitergebend und zusammenfassend, was mir Kolleginnen und Kollegen in gemeinsamen Gesprächen vermittelt haben.

Zur Krise: Vorab: ihre Ursache ist keineswegs, dass wir über unsere Verhältnisse leben und gelebt haben, sondern eine Produktionsweise, die ausschließlich auf den Profit orientiert ist und nicht auf die Menschen, die ihn erzeugen.

Entsprechend wird sie gehandhabt: die angestrebten „Lösungen“ sollen Banken und Kapitaleigner retten und damit das System, das die Krise hervorgebracht hat – auf Kosten und zu Lasten derer, die über nicht mehr verfügen als über ihre Arbeitskraft. Selbst hochrangigen Vertretern aus Wirtschaft und Politik kommen Bedenken – zwar nicht im Hinblick auf das System, von dem sie weiterhin profitieren möchten, aber im Hinblick auf seine extremsten Auswüchse.

Für die Unternehmerseite und ihre Regierungen gibt es bekanntlich nur zwei Wege aus der Krise: gründlichere Ausbeutung vorhandener Absatzmärkte und die Erschließung neuer. Beides bedeutet Krieg

  • einerseits nach innen, mit dem Angriff auf die Existenzbedingungen der Bevölkerungen auch in den hochindustrialisierten Ländern wie hier bei uns in der Bundesrepublik;
  • andererseits nach außen, konkret: Unterwerfung des Mittleren Ostens mit dem Ziel der Kontrolle über die weltweit größten Ölreserven (Irak, Syrien, Afghanistan und, noch in der Vorbereitungsphase, Iran), zudem die weitere militärische Einkreisung Russlands und Chinas.

elmshorn demo 010516 kriegDer syrische Bürgerkrieg ist längst zu einem Stellvertreterkrieg geworden, in dem die verschiedenen Regional- wie auch die Weltmächte um taktische und strategische Vorteile, um ihren Einfluss im Nahen und Mittleren Osten ringen. Die Gefahr einer weiteren Ausweitung des Krieges und damit einer militärischen Konfrontation zwischen der NATO und Russland ist nicht gebannt.

Außenpolitisch können wir kaum eingreifen, nur hierzulande ist Widerstand möglich – auch wenn es dafür bislang nur vereinzelt Anzeichen gibt.

Gute Arbeit. Gerechte Löhne. Starker Sozialstaat“ – gemessen an den Erfahrungen unseres Alltags längst entglittene Begriffe, Erinnerungen an die Jahre wirtschaftlicher Prosperität und Vollbeschäftigung, die es den Gewerkschaften ermöglichten, den Unternehmern Zugeständnisse für die Beschäftigten abzuringen; Errungenschaften, die doch keineswegs leichtfertig preisgegeben wurden, sondern unter dem Druck der kapitalistischen Krisenentwicklung.

Heute: Ein Großteil der Beschäftigten kommt mit dem Lohn kaum über die Runden. Es mangelt an bezahlbarem Wohnraum, vor allem gibt es zu wenige Sozialwohnungen.

rolf becker elmshorn demo 010516Millionen stecken in unsicheren, in der Regel befristeten Arbeitsverhältnissen, in Leiharbeit, Werkverträgen oder Minijobs. Die Kernbelegschaften werden immer kleiner, die Fertigungstiefe in den Großbetrieben nimmt ab, prekäre Beschäftigung und Lohndrückerei nehmen zu. Renten: Die Hälfte der heute Beschäftigten kann ab 2030 allenfalls noch mit Armutsrenten rechnen.

Dazu die Hamburger DGB-Vorsitzende Katja Karger in ihrem Redebeitrag auf dem Maiempfang des Senats am 27.04.2016: „Wohin wir auch schauen: die Gräben zwischen den Menschen werden größer.“ Und zur fortschreitenden Globalisierung, TITP und CETA: „Wir werden nicht nachlassen, unsere Position zu erklären und zu vertreten. Schreibt Euch den 24. September schon mal auf: Wir werden Hamburg zum Herz des Widerstands im Norden machen.“ Immerhin, ein konkreter Anknüpfungspunkt – 24. September 2016 in Hamburg.

Was tun? Die Antwort setzt eine illusionslose Einschätzung der Kräfteverhältnisse voraus – und, da wir die der Gegenseite täglich zu spüren bekommen, vor allem der eigenen Kräfte.

Real ist: statt Unternehmern und Regierung Zugeständnisse abzuringen, sind wir – nicht erst seit Beginn der Krise – zu stets erneuten Zugeständnissen gezwungen. Als eine wesentliche Ursache wird die eher zu- als abnehmende Passivität unter den Beschäftigten genannt, auch Gewerkschaftsaustritte, durch die der Organisationsgrad bundesweit auf wenig mehr als 20 Prozent gesunken ist. Wie beides überwinden? Wie den DGB-Aufruf zum 1. Mai 2016 »Zeit für Solidarität« konkret umsetzen?

  1. Klartext reden, unsere Sprache wiederfinden, uns das Maul nicht verbieten lassen. Den Halb- und Unwahrheiten, dem Verschweigen und Unterschlagen bürgerlicher Medien unsere Erfahrungen, Wahrnehmungen und Informationen entgegensetzen, und, wo es uns an geeigneten Publikationsmöglichkeiten mangelt, an Brechts Hinweis erinnern: „Die Wahrheit wird von Mund zu Mund weitergegeben.“
  2. Standortdenken überwinden. Schlechtes Beispiel bereits vor etlichen Jahren VW: auf einer Betriebsversammlung über der Bühne ein riesiges Transparent „Zukunft gestalten, Standort erhalten!“ Standort Deutschland gegen Standort Frankreich, Italien, Japan, USA? Standort VW gegen Standort Daimler, BMW, Opel, Renault oder Fiat? Standort VW Wolfsburg gegen VW Braunschweig, Emden, Kassel oder Salzgitter? Arbeitsplatz gegen Arbeitsplatz, Arbeitende gegen Arbeitende – zu wessen Nutzen? Die Profiteure sind die gleichen, die jetzt durch ihr Betrugsmanöver der Abgas-Manipulationen die Arbeitsplätze in Gefahr bringen.
  3. Der Unternehmerseite, die den Klassenkampf führt, vor dem sie uns warnt, entsprechend antworten: den Prozess der Umverteilung umkehren: Rückverteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums von Oben nach Unten.
  4. Kampf gegen Deregulierung und Prekarisierung der Arbeit, gegen Auslagerung und Leiharbeit. Aktivitäten fördern, statt sie einzuschränken oder zu unterbinden. Beispiel: Daimler Bremen – da gab es im vergangenen Jahr Ausschlussverfahren, weil eine Nachtschicht gegen die zunehmende Vergabe von Leiharbeit demonstrierte. Aus einem der Soli-Aufrufe: „Die breite Einbeziehung der Belegschaften ist der einzige Weg, die anstehenden Auseinandersetzungen zu bestehen. Dies erfordert eine offene Diskussion über eine Politik, in die sich alle Metallerinnen und Metaller mit ihren unterschiedlichen Positionen einbringen können. Meinungsvielfalt und demokratische Streitkultur stärken unsere Gewerkschaft. Das Ausgrenzen von Positionen und Strömungen hingegen verhindert die aktive Einbeziehung der Kollegen, schwächt die Mobilisierungsfähigkeit und die Durchsetzungskraft der Gewerkschaften.“
  5. Überwindung der Spaltung der Arbeiterklasse in Arbeitende und Arbeitslose durch Absenkung der Arbeitszeit.
  6. Kampf für Ausbildungs- und Arbeitsplätze Jugendlicher. Wohin sollen sie sich wenden, wenn ihnen Arbeit und Lebensperspektive verweigert werden und sie keine Unterstützung aus Gewerkschaften und anderen Organisationen der Arbeiterschaft erhalten – wenn wir nicht endlich den Kampf für sie, unsere Kinder und Nachkommen, aufnehmen. Die Antwort, die mir der Hamburger Bürgermeister – einige Jahre bevor er in sein Amt gewählt wurde – gab, das sei eine Frage der Moral, nicht des Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, halte ich für unzureichend, falsch. Die Frage bleibt – nur von uns kann sie beantwortet werden.
  7. Gewerkschaften: statt uns an welche Partei auch immer zu binden: Orientierung ausschließlich an den Interessen und Nöten der von uns vertretenen Beschäftigten, auch Nicht-mehr-Beschäftigten – an der Klasse der Arbeitenden.  

elmshorn demo 010516 armutDas Thema Flüchtlinge stand und steht für die zunehmenden sozialen Probleme in Deutschland, für eine Politik, die Dauerthemen wie Armut, Leiharbeit, Hartz IV und Arbeitslosigkeit mehr oder weniger vernachlässigt. Die „Ausländer-Raus“-Krawalle, die Brandanschläge auf Wohnheime und Asylunterkünfte, die Dresdener Pegida-Demonstrationen sind extreme Ausformungen einer Stimmung, an die nicht nur die AfD anzuknüpfen versucht. Der Erzbischof von Bamberg, wird beschimpft und mit Mord bedroht, weil er verkündete: Christen müssen Flüchtlinge aufnehmen und zugleich die Ursachen für Flucht und Vertreibung bekämpfen. Wer gegen Flüchtlinge hetzt, dürfe sich nicht Christ nennen.

Das Gefühl, vom sozialen Aufstieg abgeschnitten zu sein, existiert in weiten Teilen der Bevölkerung seit langem. Gewerkschaftssekretäre berichten, dass sie von Betriebsratsvorsitzenden gebeten werden, auf Betriebsversammlungen die Flüchtlingsfrage nicht zu thematisieren, das würde nur böses Blut in der Belegschaft geben. Auch viele Gewerkschaftsmitglieder stehen sich in der Frage Aufnahme oder Abwehr von Flüchtlingen gegensätzlich gegenüber.

Wir müssen zwar akzeptieren, dass es unter den Kolleginnen und Kollegen in einer so wichtigen Frage Meinungsverschiedenheiten gibt. Aber wir können nicht akzeptieren, dass die Differenzen totgeschwiegen und nicht Gegenstand politischer Diskussionen in den Gewerkschaften werden. Wir sollten, wie von der Hamburger DGB-Vorsitzenden Katja Karger gefordert, „den Geist des Helfen-Wollens und des solidarischen Miteinanders bewahren“, sollten die Diskussionen, auch innerhalb der Gewerkschaften, nutzen und vom Klassenstandpunkt angehen, um rechtspopulistischer Demagogie und Illusionsmacherei entgegenzuwirken.

Zur Rechtsentwicklung, den Wahlerfolgen der AfD: Der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien ist nur vor dem Hintergrund der Ausbreitung unsicherer Arbeits- und Lebensverhältnisse und der Entfesselung von Konkurrenz im Alltag zu verstehen. Er betrifft ganz unmittelbar auch uns: Im März haben in Baden-Württemberg über 15 Prozent unserer Mitglieder und in Sachsen-Anhalt 24 Prozent von ihnen AfD gewählt, obwohl diese Partei ein beschäftigtenfeindliches Programm hat.

Die AfD greift Erfahrungen von Abstiegsangst, Dauerstress und Erniedrigung in einer immer tiefer gespaltenen und unsicheren Gesellschaft mit rechten Parolen auf und wendet den Protest gegen Flüchtlinge, Muslime, Erwerbslose.

Aus einer Rede der DGB-Vorsitzenden für Südosthessen, Ulrike Eifler vom 25.03.2016: „Man hat manchmal das Gefühl, wir sind über die Anfänge eines neuen Faschismus schon weit hinaus. Noch haben wir es in der Hand. Einmal mehr sollten wir klar benennen: Wir haben keine Flüchtlingskrise, sondern eine Krise der sozialen Gerechtigkeit. Wir müssen darüber reden, was das Wesen von Faschismus ist.“

Erich Kästner:
„Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, bevor sie an die Macht kommen. Das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr.“

Bertolt Brecht:
„Die Geschäfte des Kapitalismus sind nun in verschiedenen Ländern (ihre Zahl wächst) ohne Rohheit nicht mehr zu ma¬chen. Manche glauben noch, es ginge doch; aber ein Blick in ihre Kontobücher wird sie früher oder später vom Gegenteil überzeugen. Das ist nur eine Zeitfrage.
Es kann in einem Aufruf gegen den Faschismus keine Aufrichtigkeit liegen, wenn die gesellschaftlichen Zustände, die ihn mit Naturnotwendigkeit erzeugen, in ihm nicht angeta¬stet werden. Wer den Privatbesitz an Produktionsmitteln nicht preisgeben will, der wird den Faschismus nicht loswer¬den, sondern ihn brauchen. Wir müssen die Wahrheit über die barbarischen Zustände in unserem Land sagen, dass das getan werden kann, was sie zum Verschwinden bringt, nämlich das, wodurch die Eigentumsverhältnisse geändert werden.“

Und damit – zum Schluss – noch zum Flüchtlingsdeal der Bundesregierung mit der Türkei:

Mit folgenden Worten kommentierte einer der Chefberater von Staatspräsident Erdogan die vorläufige Einigung zwischen der EU und der Türkei vom 29. November 2015 in Brüssel. „Als die EU gemerkt hat, wie entschlossen die Türkei ist, hat sie zur Geldbörse gegriffen. Ich hatte es doch gesagt: Wir öffnen die Grenzen und jagen euch die Flüchtlinge auf den Hals.“

Vor zwei Monaten waren wir Diyarbakir (kurdisch: Amed), in der vom türkischen Militär belagerten Altstadt Sûr. Seit dem 3. Dezember 2015 herrschte wie vielerorts Ausgangssperre, auch noch, nachdem am 9. März 2016 die militärische Operation für beendet erklärt wurde. Die eingeschlossenen Stadteile ohne Wasser und Abwasserentsorgung, ohne Strom, ohne Kommunikationsmöglichkeiten mit der Außenwelt. Trotzdem gelang es den Kämpfenden auf kurdischer Seite, etwa 150 Jugendlichen, sich monatelang gegen die weit überlegenen türkischen Streitkräfte, die mit Panzern, Artillerie und Kampfhubschraubern die zum Weltkulturerbe zählende Metropole angriffen, zu verteidigen. Was in Sûr geschah, ereignete und ereignet sich in vergleichbarer Weise in Cizre, Sirnak, Nusaybin und weiteren Orten. Annähernd 500.000 Menschen sind auf der Flucht. Ein Einlenken der AKP-Regierung ist nicht absehbar.

Die PKK ist, wie uns auch von Journalisten und Abgeordneten versichert wurde, bisher nicht an den Kämpfen beteiligt, ihre Einheiten sind, wie auch bürgerliche Medien hierzulande bestätigen, vorerst noch in den von der türkischen Luftwaffe bombardierten Kandilbergen des Irak.

Anlass für Erdogan und seine AKP-Regierung, den Dialog mit den Kurden abzubrechen und ihre militärische Unterdrückung wiederaufzunehmen, war zum einen das Wahlergebnis vom 7. Juni – sein Ziel eine Präsidialdemokratie durchzusetzen, war mit dem Verfehlen der absoluten Mehrheit gescheitert. Ein weiterer Anlass dazu ergab sich aus den Ereignissen in Kobanê und Rojawa. Der Kampf dort um Selbstbestimmung und Autonomie, die Schaffung räterepublikanischer Strukturen, fanden und finden vielerorts Niederschlag im kurdischen Südosten der Türkei, zudem Unterstützung auch in Universitäten und Gewerkschaften sowie Linksgruppierungen im Westen der Türkei. Viele wurden und werden deshalb verhaftet, Journalisten und Redakteure entlassen, Abgeordnete der HDP, darunter auch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, bedroht und verfolgt. Aus Sicht der türkischen Regierung droht der Konflikt zur Klassenauseinandersetzung zu werden.

Warum nimmt Europa das hin, wurden wir immer wieder gefragt. Und wir müssen uns fragen, ob es der Bundesregierung bei ihren Verhandlungen mit Erdogan nur um die Begrenzung der Flüchtlingsströme geht, oder auch um die Abwehr eines Flächenbrandes, falls die Forderungen nach räterepublikanischen Strukturen auf europäische Länder übergreifen. „Der Feldzug ist noch nicht zuend“ (Brecht).

Auf der Mahnwache für die Eingeschlossenen in Sûr zitierte ein junger Sanitäter Zeilen von Nazim Hikmet. In deutscher Übersetzung:

„Die Luft ist schwer wie Blei
Wenn ich nicht brenne, wenn du nicht brennst,
wenn wir nicht brennen,
wie kann
die Finsternis erleuchtet werden.“

Text: Rolf Becker     Fotos: Ulli, Björn und Wolfgang