Wirtschaft

berlin charite 230615 mami 6651 s24.06.2015: Der Notruf nach mehr Personalstellen und bessere Arbeitsbedingungen in den deutschen Krankenhäusern stößt auf breite Zustimmung. Nach einer von einer Berliner Tageszeitung durchgeführten Umfrage unterstützten 99% der Befragten die Forderungen der in den unbefristeten Streik getretenen Pflegekräfte der Berliner Charité. Am Dienstag haben etwa 1000 Streikende eine Demonstration von den Streiklokalen auf dem Gelände der Charité  zu einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor und weiter zum Gesundheitsministerium durchgeführt. Zustimmung aus der Bevölkerung auch diesmal. Passanten und Cafe-Besucher klatschten demonstrativ Beifall, ebenso gab es Zustimmung aus vielen Büros und Geschäften. Mit einem riesigen Transparent drückten Abgeordnete und Mitarbeiter der Fraktion Die Linke ihre Solidarität aus.

Keine Zustimmung allerdings von der Betriebsleitung der privatwirtschaftlich geführten Charité. Geht es doch um die Rendite, deshalb wurde versucht, den unbefristeten Streik für bessere Arbeitsbedingungen gerichtlich verbieten zu lassen. Das Arbeitsgericht Berlin sieht aber die ver.di-Forderung nach Personalmindeststandards und Regelungen für den Gesundheitsschutz als berechtigt an. „Die unternehmerische Freiheit hört da auf, wo der Gesundheitsschutz für die Beschäftigten anfängt.“ Mit diesem Satz bestätigte der Richter die Rechtsauffassung von ver.di. Die Charité hatte in den seit zwei Jahren währenden Tarifverhandlungen die Tariffähigkeit der Forderung nach Mindestbesetzungen immer bestritten.

berlin charite 230615 mami 6679„Das ist ein guter Tag für die Beschäftigten in den Krankenhäusern. Wir haben nun richterlich bestätigt, dass die Tarifforderung nach genug Personal, um die Arbeit zu schaffen, nicht nur berechtigt, sondern auch legal ist“, kommentiert ver.di-Verhandlungsführerin Meike Jäger die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Richter hat darüber hinaus ebenfalls festgestellt, dass der Streik auf der Grundlage der von ver.di und Charité abgeschlossenen Notdienstvereinbarung verhältnismäßig ist und dass die Beschäftigten mit dem nötigen ethischen Verantwortungsbewusstsein streiken und sicherstellen, dass es nicht zu Patientengefährdung kommt. „Der Richter hat auch hier unsere Auffassung bestätigt, dass die bestehende Notdienstvereinbarung eine gute Grundlage ist, um den Streik verantwortungsbewusst durchzuführen. ver.di wird sich weiter auf dieser Grundlage im Sinne der Patientensicherheit eng mit der Charité abstimmen.“ so Meike Jäger.

Die Charité legte daraufhin bei der nächsten Instanz, dem Landesarbeitsgericht, Berufung ein. Die aber wurde an diesem Mittwoch zurückgewiesen. Nun will die Charité der Gewerkschaft ein Gesprächsangebot unterbreiten. Der unbefristete Streik geht weiter. Immer mehr Abteilungen beteiligen sich. Von den insgesamt rund 3.000 Charité-Betten blieben etwa 1.000 leer. Schon am Montag mussten mehrere hundert Operationen abgesagt werden.

Die Charité ist mit den 3000 Betten und mit 13.000 Beschäftigten das größte Krankenhaus in Europa. Bei einem Gesamtbudget von 1 Mrd. Euro hat die Charité immer einen Bilanzgewinn ausgewiesen, 2012 waren es  5.5 Mio Euro. Die Charité ist ein Haus der Supramaximalversorgung. Das heißt, hier werden nach Krankenhausplan alle Fälle behandelt. Die Charité darf keine PatientInnen abweisen. Obwohl sich seit 2003 die die Patientenfallzahlen erhöht haben, die Schwere der Fälle gemessen im sog. Casemixindex zugenommen haben und die Liegezeit verkürzt wurden, sind an der Charite 300 Stellen im Pflegebereich abgebaut worden. Ver.di fordert nun mindesten 600 zusätzliche Stellen.

berlin charite 230615 HFranz 179Die Stimmung in den Streiklokalen und auf der Demonstration machte deutlich, dass die Streikbereitschaft groß ist. Hinzu kommt die Unterstützung durch das Bündnis Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus. Zum Abschluss der Demonstration vor dem Sozialministerium warfen die Streikenden zwar nicht mit Schuhe, aber mit leeren Spritzen. Noch waren sie nicht gefüllt.

berlin charite 230615 buendnis logoIn den bundesweit 2.000 Krankenhäusern fehlen laut ver.di-Berechnung insgesamt 162.000 Beschäftigte. Für den Mittwoch hat ver.di deshalb zu einer bundesweiten Aktion aufgerufen. Vor fast allen Krankenhäusern der Bundesrepublik werden Beschäftigte stehen und mit Nummern von eins bis 162.000 auf ihre fehlenden Kolleginnen und Kollegen aufmerksam machen.

Text: mami         Fotos: mami / Hilmar Franz

 

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