Wirtschaft

20.10.2014: „Wir gestalten heute unsere Zukunft!“ So wirbt Globus in seinen SB-Warenhäusern für die „globuseigene Entgeltstruktur“, kurz GLENS genannt. Was sich wie ein Bekenntnis zum Fortschritt anhört, ist in der betrieblichen Wirklichkeit eine Abkehr von der tarifvertraglich garantierten sozialen Sicherheit. Die GLENS-Broschüre ist kaum umfangreicher als der ver.di-Tarifvertrag für den hessischen Einzelhandel. Aber an vielen Stellen enthält sie für die Globus-Beschäftigten klaffende „Löcher“ und „angefressene“ Rechte, wenn sie vorher mal die tariflichen Leistungen und Bestimmungen kennengelernt hatten.

Globus preist seine GLENS als „wettbewerbsfähige und bundesweit einheitliche Vergütungsstruktur“ an. Doch wird diese Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens von den Beschäftigten durch empfindlichen Verzicht beim Gehalt und „abgespeckte“ Rechte erreicht. Das zeigt sich schon beim Gehalt. Wer von Globus eingestellt wird, kommt „grundsätzlich in die jeweils erste Stufe“ der einer Tätigkeit zugeordneten Vergütungsgruppe. Während der Einzelhandelstarifvertrag in Hessen jede frühere anderweitige Arbeit im Verkauf (Bäckerei, Metzgerei, Hotel- und Gaststättengewerbe, Kiosk usw.) anerkennt, was eine sofortige höhere Einstufung nach sich zieht, nimmt sich Globus das Recht heraus, zu entscheiden, ob „Zeiten und Fachkenntnisse aus einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufeneinordnung“ überhaupt berücksichtigt werden. Selbst Beschäftigungszeiten bei der Globus Personalservice GmbH & Co. KG, also der unternehmenseigenen Dienstleistungsgesellschaft, werden nicht zwingend anerkannt.

Beschäftigte, die sich auf diese Weise um ihre Berufserfahrung geprellt sehen, werden sich wundern, was ihre Leistung bei Globus im Jahr 2014 wert ist.

 

  • Bei einer 40-Stunden-Woche (rechnerisch 173,87 Stunden monatlich) erhalten sie bei Globus im Verkauf des Backshops als Einstiegsgehalt 1.550 €, also 8,92 € je Stunde.
  • Tarifvertraglich mit einer 37,5-Stunden-Woche (rechnerisch 163 Stunden im Monat) stehen gelernten Verkäufern aber 10,49 € und ausgebildeten Bürokauffrauen 11,37 € zu.
  • Ein Metzger in der hauseigenen Fleischerei kommt bei Globus in der Eingangsstufe auf 1.700 € (9,78 €/Std.) und eine gelernte Verkäuferin in Non Food auf 1.750 € (10,06 €/Std.).
  • Nach dem Tarifvertrag des hessischen Einzelhandels liegt der Metzger bei 2.545 € (15,61 €/Std.) und die Verkäuferin bei 1.710 € (10,49 /Std.).
  • Während ein Metzger bei Globus selbst ab dem vierten Beschäftigungsjahr mit 12,08 € den tariflichen Stundenlohn nicht erreicht, erhöht sich das Gehalt einer Verkäuferin in Non Food ab dem vierten Jahr, der Höchststufe, das sind 12,94 €, demgegenüber steigt die tarifliche Bezahlung bis auf 14,50 €.

Außerdem hat Globus verwirklicht, was viele tarifgebundene Unternehmer des Einzelhandels gerne sofort unterschreiben und übernehmen würden: die Abschaffung des sogenannten „Durchstiegs“ von ungelernter zu gelernter Tätigkeit. Der Branchentarifvertrag eröffnet Beschäftigten ohne jegliche Ausbildung die im Vergleich zu manchen anderen Wirtschaftszweigen einmalige Chance, nach dreijähriger Tätigkeit im Verkauf in die Bezahlung der ausgebildeten Verkäufer/innen aufzurücken. Das bedeutet, dass auch Ungelernte nach acht Jahren die Höchststufe des Gehalts von 14,50 € erhalten. Bei Globus gibt es ein solches automatisches Aufsteigen nicht; wer ungelernt für 8,50 € im Verkauf einsteigt, bleibt dort ewig „kleben“.

Wie bei den Gehältern ist Globus auch bei sonstigen Leistungen eher ein „Billigheimer“, der es versteht, sich durch „.Knauserei“ bei den Beschäftigten satte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. So liegt das Urlaubsgeld eines Vollzeitbeschäftigten dort bei 938,88 €, wenn rechnerisch eine 37,5-Stunden-Woche zugrunde gelegt wird; tariflich werden allerdings 1.182 € garantiert. Das Weihnachtsgeld beträgt bei Globus 50 Prozent und nach Einzelhandelstarifvertrag 62,5 Prozent des jeweiligen Monatsgehalts der Beschäftigten. Zuschläge für Spätöffnungsarbeit gibt es bei Globus überhaupt nicht (Tarif: 20 %), bei Nachtarbeit werden ab 22 Uhr 50 Prozent (Tarif: 55 % ab 20 Uhr) sowie an Sonn- und Feiertagen 100 Prozent (Tarif: 120 % sonntags und 150 % feiertags) gewährt.

So macht Globus mit GLENS bereits glänzende Geschäfte, ehe auch nur ein Artikel verkauft wurde. Eigentlich müsste sich jede/r Beschäftigte und Betriebsrat fragen, was an dieser hauseigenen Vergütungsstruktur „modern“ sein soll, wie es die Verfechter und Betreiber dieser gezielten Lohn(kosten)senkung in der Öffentlichkeit immer behaupten. Jedoch wird auch bei Globus sicher niemand so leichtgläubig sein und hoffen, mit dauerhaft weniger Einkommen die eigene Zukunft tatsächlich besser gestalten zu können. Denn Beschäftigte in Armut trotz Arbeit und Rentner/innen ohne auskömmliche Altersversorgung gibt es schon heute zu viele.

txt: Horst Gobrecht