Wirtschaft

prokon Duane Boisclair04.05.2014: Die erste Maßnahme des Insolvenzverwalters – sinniger Weise am Tag der Arbeit verkündet: Rund 150 von 450 Arbeitsplätzen werden beim insolventen Windkraft-Unternehmen Prokon in Itzehoe (Holstein) mal kurzerhand gestrichen. Rund 80 Arbeitnehmer würden das Unternehmen wegen auslaufender Verträge oder eigener Kündigung verlassen, für 70 weitere werde eine Transfergesellschaft vorbereitet. Wie es mit den anderen Arbeitsplätzen aussieht, werde sich im Fortgang des Insolvenzverfahrens herausstellen. Zu befürchten ist, dass im Zuge der Filetierung von Prokon weitere (wenn nicht alle) Arbeitsplätze auf der Strecke bleiben.

Die zweite Seite der Prokon-Pleite: Ob und wieviel die Prokon-Genussscheininhaber von ihrem Geld jemals wiedersehen werden, steht auch weiter in den Sternen. Nach Aussage des Insolvenzverwalters bewege sich die möglicher Rettungsmarge zwischen 30 bis 60 Prozent des eingesetzten Kapitals. Nach Angaben von Prokon sind die meisten Anleger ältere Menschen, die ihr erspartes Geld „für einen guten Zweck“ anlegen wollten. Gestartet als „Robin Hood“ der Energiebranche gründete Carsten Rodbertus 1995 Prokon und gewann schnell die Herzen der Kleinanleger – und vor allem ihr Geld. Heftig beschimpfte er in seinen Vorträgen die Banken, die von ihrer Gier getrieben seien und die Finanzkrise verursacht hätten. Er nehme deshalb statt der Bankkredite lieber das Geld von privaten Anlegern und schaffe damit Werte, die gut für die Umwelt seien – Windanlagen und Biokraftstoffe. Seine Vision vom profitablen Ökostrom verkaufte er deutschlandweit an rund 75.000 Anleger, die etwa 1,4 Milliarden Euro in Form von Genussscheinen in Prokon investierten  Das Unternehmen bot Genussscheine ab einem Wert von 100 Euro an. Die Laufzeiten lagen dabei zwischen sechs Monaten und bis zu zehn Jahren. Im Gegenzug warb das Unternehmen mit üppigen Zinserträgen zwischen 6 und 8 Prozent.

Das Projekt boomte zunächst: Prokon kaufte von dem Geld rund 300 Windkraftanlagen, investierte in Biogasanlagen und in rumänische Wälder. Doch irgendwann waren die hohen Zinsverpflichtungen nicht mehr aufzubringen. Am 1.Mai wurde nun das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Prokon Regenerative Energien GmbH sei zahlungsunfähig und überschuldet, teilte das Amtsgericht Itzehoe mit. Anleger (die Genussscheininhaber) fordern 368 Millionen Euro zurück; in der Prokon-Kasse befinden sich aber nur 19 Millionen Euro. Auch das gesamte Vermögen des Unternehmens würde nach Aussage des Insolvenzverwalters nicht reichen, um das Kapital der Anleger zurückzuzahlen.

Verbraucherschützer sahen schon seit Jahren in dem Prokon-Geschäftsmodell der Genussscheine eine Art Schneeballsystem, das irgendwann zusammenbrechen müsse. „Die Welt der Genussscheine ist bunt und wenig transparent“, musste im Nachhinein selbst die finanzmarktfreundliche FAZ  (24.1.14) in ihrem Wirtschaftsteil süffisant feststellen. Bei den Genussscheinen handelt es sich um eine Mischung aus Anleihe und Aktie. Anleger erhalten eine fixe Zinszusage, die in der Regel deutlich über dem liegt, was zurzeit bei Banken an festen Zinsen zu bekommen ist. Das System erinnert in vielem an das Finanzierungsmodell, das vor Jahren die Hypo Real Estate in den Bankrott getrieben hatte: Solange immer wieder neues Geld in Prokon floss, ging alles gut – damit konnten die Zinsen und Rückzahlungen der alten Anleger bedient werden. Das Problem: Ein Windrad rechnet sich aber nur über Jahrzehnte. Damit wird eine langfristige Anlage mit kurzfristigem Geld bezahlt. Das Spezielle der Genussscheine: Die Rechte der Investoren sind deutlich geringer als etwa jene von Aktionären. So gibt es beispielsweise keine Mitspracherechte oder Kontrollmöglichkeiten über die Verwendung der Mittel. Geht das Unternehmen pleite, so werden die Geldgeber zudem nachrangig bedient, sprich: sie stehen weit hinten in der Schlange der Gläubiger.

Schon 2009 war Prokon wegen offenbar immenser finanzieller Probleme ins Visier der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) geraten. Das berichtete das Handelsblatt (4.2.14) unter Berufung auf einen Briefwechsel zwischen der Firma und der Bankenaufsicht. Danach schrieb Rodbertus auf Nachfrage der Bafin, dass zwar keine Bank dem Unternehmen mehr Kredite gebe, er aber fest mit dem Geld neuer Anleger rechne. Geld also von Tausenden neuen Kleinsparern, die an Rodbertus Vision vom gut verzinsten, grünen Investment glaubten. Dass ihr Geld erst einmal genutzt wurde, um Altanleger auszubezahlen, weil die bestehenden Investments schon verpfändet waren, wussten die Investoren natürlich nicht. Daraufhin hätten bei der BaFin eigentlich alle Alarmglocken läuten müssen und sie hätte zumindest öffentlich vor dem Windkraftinvestor warnen müssen. Weit gefehlt - nichts geschah.

Weiterhin hatte im September 2012 das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein einer Klage der Verbraucherzentrale Hamburg gegen Prokon wegen unlauterer Werbung stattgegeben. In einem Verkaufsprospekt habe das Unternehmen Anlegern vorgetäuscht, die Genussrechte seien ebenso sicher wie ein Sparbuch. Aber auch diese Warnung verhallte weitgehend folgenlos.

Die Prokon-Insolvenz ist also ein weiteres Beispiel des Zusammenspiels von „Grüner Ökonomie“, “Grauem Finanzmarkt” und kapitalfreundlicher Wirtschaftspolitik. Damit reiht sich Prokon ein in eine Serie von Firmenpleiten der Green Economy, die für viele Kleinanleger zum Alptraum wurden - wie schon in den zurückliegenden Jahren z.B. bei Solarworld oder Windreich. Experten fürchten, dass noch deutlich mehr deutschen Windparkanlegern ein böses Erwachen droht.

Die Süddeutsche Zeitung (2.5.14) berichtete über einen von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkten Rechtsstreit, wonach ein Gründungskommanditist eines Windparks (der Firma UMaAG) in einem Verfahren zu 250 000 Euro Schadenersatz plus Zinsen verurteilt wurde, weil im Prospekt die Gewinnmöglichkeiten zu rosig dargestellt worden seien. Zur Verteidigung gab der Winspark-Inhaber an: Schuld an den Kapitalverlusten sei ganz einfach die Natur. So habe es in den letzten zehn Jahren eben "deutlich unterdurchschnittliche Windjahre mit zum Teil über 20 Prozent geminderten Erträgen gegeben". Das bleibe "leider nicht ohne Auswirkungen auf die Ausschüttung".

Welche Schlussfolgerungen sollten aus diesen Pleiten gezogen werden?

Sven Giegold (Grünen-EU-Abgeordneter) schreibt: „Anlegerinnen und Anlegern zu verbieten, Risiken einzugehen, ist bevormundend. Auch Kleinanleger haben das Recht ihr Geld aufs Spiel zu setzen.“ Die LINKE fordert dagegen, den grauen Kapitalmarkt umfassend zu regulieren und einer wirksamen, einheitlichen Finanzaufsicht zu unterstellen. Außerdem wird die Einrichtung eines Finanz-TÜV gefordert, der alle Finanzinstrumente auf Nebenwirkungen und Risiken untersuchten soll. "Hochriskante und verbraucherpolitisch unseriöse Instrumente werden damit erst gar nicht zugelassen." Der DGB hebt hervor: “ Im schwarz-roten Koalitionsvertrag wird den Verbraucherzentralen eine Wächterrolle am Finanzmarkt zugedacht. Sie muss zügig umgesetzt werden. Nicht zuletzt müssen die Beschäftigten in den Banken vom Vertriebs- und Verkaufsdruck befreit werden, damit künftig Qualität und Sicherheit von Finanzprodukten im Mittelpunkt stehen und nicht die Rendite von Finanzinstituten.“

In seiner Presseerklärung “ PROKON braucht Perspektive! - Standort Itzehoe erhalten!” stellt der DGB Schleswig-Holstein Nordwest fest: „Es überrascht nicht mehr, dass ein solch undurchschaubares, intransparentes Geschäftsmodell auf Dauer nicht gut gehen konnte. Und so ist die Wut vieler Menschen über die Zocker-Manier zu verstehen, mit der Genussrechte, also ein weitgehend unreguliertes, graues Kapitalmarktprodukt, als gute und sichere Geldanlage angepriesen wurden. Diese Zukunft muss daher deutlich anders aussehen. Schließlich geht es um ein tolles Produkt in einer Zukunftsbranche Schleswig-Holsteins und engagierte und von Windenergie begeisterte Beschäftigte. Die brauchen eine gesicherte und ausbaufähige Perspektive – zumal in einer wirtschaftlich gebeutelten Region, wie es Itzehoe ist. Für den DGB in der Region heißt das: Es muss alles dafür getan werden, dass neben der Betriebsführung und Projektierung von Windparks auch die Herstellung der PROKON-eigenen Windenergieanlage in Itzehoe erhalten bleibt und ausgebaut werden kann. Hier liegt die Zukunft für den regionalen Arbeitsmarkt, mit guten Jobs und guten Löhnen. Und um diese Zukunftsperspektive Wirklichkeit werden zu lassen, muss sich auch die Landesregierung engagieren.“

„Stadt, Land und Kreis wollen sich kümmern und ihre Hilfe anbieten“, erklärte Landes-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) bei der Krisenrunde. Zu befürchten ist aber, dass dies nicht mehr als schöne aber folgenlose Worte bleiben werden. Hatte doch derselbe Wirtschaftsminister vor einem Jahr am selben Ort den 1.200 Beschäftigten des Druckhauses Prinovis (Bertelsmann / Springer) mit denselben Worten Mut zugesprochen. Das traurige Ergebnis: Deren Arbeitsplätze sind mit der letzten Schicht am 30. April jetzt Vergangenheit. Einen neuen Job gefunden haben bisher nur 200 Kolleg_innen – für die übrigen geht es in eine Transfergesellschaft und nach sechs bzw. zwölf Monaten in die Arbeitslosigkeit.

Folgt nach dem Totalverlust der Arbeitsplätze bei Prinovis nun auch der Verlust der Arbeitsplätze bei Prokon? Erschwerend für den Kampf um deren Arbeitsplätze kommt hinzu, dass – im Gegensatz zur kämpferischen Prinovis-Belegschaft – der gewerkschaftliche Organisierungsgrad unter den Prokon-Beschäftigten sehr gering ist und es in diesem „grünen“ Unternehmen keinen Betriebsrat gibt, der den betrieblichen Widerstand organisieren könnte.

Text: gst   Foto: Duane Boisclair

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

EL Star 150

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.