Wirtschaft

05.01.2011: Wieder einmal dieser Winter. Eis und Schnee seien verantwortlich für die gestiegene Arbeitslosigkeit, sagte Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA). Er nannte jedoch noch zwei weitere Gründe: Viele befristete Arbeitsverträge sind zum Ende des Jahres ausgelaufen. Und schließlich hätten viel Job-Center "Ein-Euro-Jobs" gestrichen, weil in diesem Jahr rund 20 Prozent weniger Mittel für Arbeitsmarktprogramme zur Verfügung stehen. Als aufschlussreich, bezeichnet Volker Metzroth, verantwortlich für den Bereich Arbeit bei der DKP, diese Aussage. Sie zeige wie mit den "Ein-Euro-Jobs" die Arbeitslosenstatistik manipuliert werde, aber auch, dass das sogenannte Jobwunder auf dem Boom von Leiharbeit und Teilzeitarbeit beruht.

DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki sagte, angesichts von drei Millionen offiziell registrierten Arbeitslosen sei es absurd, wie Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) von Vollbeschäftigung zu schwärmen, zumal sich weitere 1,4 Millionen Arbeitslose in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befänden.

Die BA hatte mitgeteilt, dass die Zahl der Arbeitslosen im Dezember im Vergleich zum Vormonat um 85.000 auf 3,016 Millionen gestiegen ist. Die Quote erhöhte sich um 0,2 auf 7,2 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist dies allerdings ein Rückgang um 260.000.

Das Statistische Bundesamt hatte kurz vorher bekannt gegeben, dass die Zahl der Beschäftigten auf den höchsten Stand seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland geklettert ist. Im Jahr 2010 waren durchschnittlich 40, 37 Millionen Menschen erwerbstätig - ein Zuwachs von 197.000 im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der lohnabhängig Beschäftigten wuchs um 190.000 auf 35,95 Millionen, während die Selbstständigen einschließlich der mithelfenden Familienangehörigen nur um 7.000 Personen auf 4,42 Millionen zunahmen.

Die Schattenseiten: Es gibt immer weniger sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze, in der Industrie schrumpft die Beschäftigung, und die Anforderungen an die Qualifikation werden immer höher. BA-Chef Weise spricht von einem "Trend zu immer qualifizierteren Arbeitsplätzen".

Prekarität: Der zunehmend normale Ausnahmezustand
Im produzierenden Gewerbe waren 2010 nur noch 18,9 Prozent der Erwerbstätigen beschäftigt; 2005 waren es noch 20,3 Prozent. Parallel zum Rückgang der Industriearbeitsplätze und der Zunahme im Dienstleistungsbereich - fast drei Viertel aller Erwerbstätigen sind hier beschäftigt - nehmen die prekären Jobs zu. Die Zahl sozialversicherungspflichtiger Vollzeitarbeitsplätze geht immer weiter zurück. Im März 2010 gab es nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit noch etwa 22,1 Millionen davon; 200.000 weniger als im März 2008.

Die Teilzeitbeschäftigung hat rapide zugenommen. Sie kletterte in den zurückliegenden fünf Jahren um fast eine Million auf 5,28 Millionen. Dazu kommen fast fünf Millionen 400-Euro-Jobs. Die Leiharbeitsbranche boomt. Ein erheblicher Teil der neuen Jobs entfällt auf diese Branche. Die Zahl der Leiharbeiter ist auf über eine Million gestiegen - ein Zuwachs von ca. 40 Prozent binnen eines Jahres. Die Zahl der Hartz-IV-Aufstocker steigt kontinuierlich an.

Für Volker Metzroth zeigen diese Zahlen, dass das von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hoch gepriesene Wunder auf dem Arbeitsmarkt auf dem Boom prekärer Beschäftigung mit Niedriglohn, Leiharbeit und Teilzeitarbeit beruht. Das Normalarbeitsverhältnis mit einem existenzsichernden Lohn werde im heutigen Kapitalismus immer mehr zum Auslaufmodell, sagt er.

Für DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki liegt auf der Hand, dass die Erholung des Arbeitsmarktes an Jugendlichen, MigrantInnen und ältere ArbeitnehmerInnen vorbei geht. Er fordert einen schrittweisen Abbau des Niedriglohnsektors mit fast 13 Millionen Beschäftigten zugunsten sozialversicherungspflichtiger Arbeit und Investitionen in einen öffentlichen Beschäftigungssektor.

Gemeinsam gegen prekäre Beschäftigung
DKP-Mann Metzroth ruft zur Unterstützung der Aktionen auf, die von der IG Metall gegen prekäre Beschäftigung vorbereitet werden. Im Zusammenhang mit der parlamentarischen Beratung der Anpassung der deutschen Leiharbeitsregelungen an das europäische Recht im Februar plant die Gewerkschaft einen bundesweiten Aktionstag. Im Bereich der Leiharbeit muss endlich das Prinzip »Gleiches Geld für gleiche Arbeit«  festgeschrieben werden. Das Jahr 2011 müsse auch zu einem Jahr des verstärkten Kampfes um einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn werden, fordert Metzroth.

txt: lm
foto: stefan mosel