Wirtschaft

01.12.2010: „Ich bin jetzt das siebte Mal in Deutschland. Ich habe schon an vielen Konferenzen über die Rechte von Arbeitnehmern teilgenommen. Dieses aber ist die erste Konferenz, die sich mit dem Thema ‚China & die Gewerkschaften’ befasst.“ Dies erklärte der chinesische Arbeitsexperte (selbst Mitglied der chinesischen Staatsratskommission für das neue Arbeitsgesetz in China) Prof. Chang Kai in seinem Beitrag für die erste deutsch-chinesische Konferenz zu Fragen der Arbeitskonflikte und Gewerkschaftsrechte. Eröffnet worden war die Konferenz von dem Leiter des Instituts für Arbeit – ICOLAIR, dem Hamburger Arbeitsrechtler Dr. Rolf Geffken. Dieser war auch Initiator des Projekts, an dem insgesamt über 50 Wissenschaftler und Experten aus Deutschland, China und Österreich teilnahmen.

Die Experten diskutierten fast 10 Stunden an der Universität Oldenburg über Fragen der Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft im heutigen China, die Durchsetzung und Sicherung von Tarifverträgen, betriebliche Konflikte und Streiks sowie das Arbeitsrecht in Deutschland und China und einen möglichen Dialog der Gewerkschaften zwischen beiden Ländern. In seiner Eröffnungsrede erklärte Dr. Geffken: „Seit nun fast 30 Jahren sind deutsche Unternehmen in China als Investoren aktiv und haben dazu beigetragen, dass sich das Bild Chinas in Deutschland grundlegend gewandelt hat. Auf der anderen Seite aber gibt es immer noch keinen Dialog mit den chinesischen Gewerkschaften oder auch über die chinesischen Gewerkschaften und mit chinesischen Arbeitnehmern. Dieses Manko wollen und müssen wir beheben. Ein erster Schritt dazu ist diese Konferenz.“

Während der Oldenburger Volkswirtschaftler Trautwein sich mit der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung in China befasste, untersuchte der Sinologe Helmut Peters mögliche künftige politische Entwicklungsperspektiven des Landes (siehe Anlage). Die chinesischen Experten befassten sich bei den darauf folgenden Themen äußerst kritisch mit der Situation der Gewerkschaftsrechte in China.

So warf der Pekinger Publizist Zhong den chinesischen Gewerkschaften vor, im wesentlichen Teil des Verwaltungssystems zu sein und durch die eigene „Bürokratisierung“ den Anschluss an die Aktivitäten zahlreicher streikender Arbeitnehmergruppen verloren zu haben.

Prof. Chang Kai hatte zuvor die stetig zunehmende Zahl von Arbeitskonflikten hervorgehoben. Diese zeichneten sich fast alle durch spontan und diszipliniert organisierte Streiks aus. Der Pekinger Anwalt Rujiu Wei forderte darüber hinaus die Zulassung unabhängiger Gewerkschaften, während der Dozent und Anwalt XiaolinWei aus Kanton sich mit der neuen Streikgesetzgebung in der Provinz Guangdong auseinandersetzte. Die Pekinger Professorin JinWang befasste sich in ihrem Beitrag mit den Perspektiven eines möglichen Dialogs zwischen deutschen und chinesischen Gewerkschaften. Der Münsteraner Doktorand Mörking empfahl die Durchführung von Betriebsräteseminaren für deutsche Gewerkschafter zum Thema China. Der Bremer Anwalt und ehemalige Gewerkschaftssekretär Bonkowski sah in dem deutschen dualen Modell von Betriebsräten und Gewerkschaften, das zur Zeit in China stark diskutiert werde, keinen Gegensatz, sondern eine mögliche Ergänzung bei der effektiven Interessenvertretung von Arbeitnehmern.

In seinen Begrüßungsworten hatte der Vorsitzende der DGB-Region Oldenburg- Wilhelmshaven, Manfred Klöpper, zuvor auf die Notwendigkeit einer intensiveren Befassung mit der Entwicklung von Arbeitsbedingungen in China auch aus der Sicht deutscher Gewerkschaften hingewiesen. Allerdings wurde die kurzfristige Absage einiger hauptamtlicher Gewerkschaftssekretäre allgemein bedauert.

Text: RG (Vorabdruck aus UZ vom 3.12.2010)