Analysen

rente67 igm jugend11.03.2014: Laut Umfragen finden es mehr als 80 Prozent der Bevölkerung gut, wenn Arbeitnehmer mit 45 Beitragsjahren schon mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können (SZ, 9.1.14). Eine überwältigende Mehrheit ist nach wie vor gegen die Rente mit 67 und für eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit. Das ist auch der Kern der Auseinandersetzung um die Rentenpläne der Großen Koalition. Die SPD will von dem Makel wegkommen, den ihr Müntefering mit der Rente 67 verpasst  hat. Ausgerechnet ein SPD-“Sozial“minister trieb die Menschen zu längerer Lebensarbeit an, in einer Arbeitswelt, die immer stressiger, hektischer, gesundheitszerstörender wird.

Darüber hinaus wollte man die Gewerkschaften mit den Zuckerln Mindestlohn und Rente mit 63 auf die Groko einschwören. Die Gegner der Rentenpläne von Nahles wiederum fürchten, dass davon ein Signal zu einer Diskussion ausgeht, den Ruhestand wieder früher beginnen zu lassen. Wo doch Regierungsberater empfehlen, das Renteneintrittsalter schrittweise auf 68 und 69 Jahre zu erhöhen (DW, 13.11.13). Unternehmerverbände, Medien, selbsternannte Wirtschaftsexperten und neoliberale Stoßtrupps, wie die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ schießen deshalb Trommelfeuer gegen das „Rentenpaket“: „Verschwörung gegen die Jüngeren“ (SZ), „Betrug an der jungen Generation“, „Generationenverrat“, „Rentenstreich“, … Grundmuster: Ausspielen der jungen Generation gegen die Alten, die sich angeblich einen Lenz machen wollen. Aus demografischen Gründen sei die Rente mit 63 nur machbar, wenn einem „die Jungen egal“ sind (DW).

Die Demografie-Keule

Denn „Deutschland altert dramatisch“, weiß der Spiegel (10/2014) zu berichten. „Bis 2030 wird die Bevölkerung im Erwerbsalter von knapp 50 auf nur noch 43 Millionen Menschen schrumpfen“. Na und? Was der Spiegel verschweigt: Jährlich wandern Hunderttausende Arbeitskräfte, die auf Kosten ihrer Heimatländer meist gut ausgebildet wurden, zu. Sie zahlen in der Regel mehr in die Sozialkassen ein, als sie je daraus erhalten. Sie finanzieren das deutsche Rentensystem mit.

Aber selbst ohne diese Zuwanderer: Sieben Millionen weniger Erwerbsfähige sind ohne Zweifel eine ganze Menge: Minus 14 Prozent in 16 Jahren. Nur haben die Spiegel-Schreiber die Rechnung ohne die Produktivität gemacht. In den vergangenen 16 Jahren, von 1998 bis 2013, stieg die Produktivität je Erwerbstätigenstunde um genau 20 Prozent (destatis) – trotz größter Wirtschaftskrise seit dem II. Weltkrieg, im Jahr 2009. Weshalb sollte die Produktivität in den nächsten 16 Jahren nicht genau so stark steigen?! Die abnehmende Zahl an Erwerbstätigen wird also durch höhere Produktivität mehr als ausgeglichen. (vgl. dazu auch isw-wirtschaftsinfo 39, S. 45-47). Voraussetzung ist allerdings, dass die  Arbeitnehmer am Produktivitätszuwachs -zumindest - gemäß der Verteilungsrelation beteiligt werden, und zwar in Gestalt entsprechend steigender Reallöhne. Daraus ergeben sich dann die entsprechenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Von 2000 bis 2013 wurden die gesamten Produktivitätsgewinne einseitig von den Beziehern von „Unternehmens- und Vermögenseinkommen“ eingesackt. Die Realeinkommen je Arbeitnehmer gingen in diesem Zeitraum sogar noch um 1 Prozent zurück (? Löhne). Entsprechend verschlechterten sich die Anteile der Arbeitnehmereinkommen am Volkseinkommen und der Mittelzufluß zu den Sozialkassen.

Drittens: Es ist also eine Verteilungsfrage, ob sich eine Gesellschaft eine kürzere Lebensarbeitszeit für die Arbeiter und Angestellten leisten kann. Darüber hinaus gilt es das Solidarprinzip zu Ende zu denken: das hieße, dass Spitzenverdiener in voller Höhe ihres Verdienstes zur Beitragszahlung herangezogen werden.  Die geltende Beitragsbemessungsgrenze ist unvereinbar mit dem Solidarprinzip. Ein Spitzenverdiener, z.B. ein Manager, der Hunderttausende verdient, muss nur bis zur Einkommenshöhe von monatlich 5.950 Euro (Westen), 5.000 Euro (Osten) in die Rentenkasse einzahlen. Der Verdienst über dieser Grenze bleibt beitragsfrei. Zudem sollten alle Erwerbstätige in Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) einbezogen werden. Das wäre dann wirklich generationengerecht.

Umfairteilen ist also notwendig, will man die unsozialen Rentenreformen der vergangenen Jahre wirklich korrigieren: Rente mit 67, verschiedene Senkungen des Rentenniveaus (Riester-Faktor, Nachhaltigkeitsfaktor), Zwang zu kapitalmarktabhängiger Privatvorsorge -  die Kürzungsorgien haben die sozialen Probleme verschärft und den Generationenvertrag belastet. Sie haben das Fundament des Rentensystems unterhöhlt. Zu dieser Grundlage gehörten „Leistungs- und Bedarfsgerechtigkeit. Langjährige Beitragsleistungen begründeten den Anspruch auf auskömmliche Rente. Und zu geringe Renten wurden im Bedarfsfall aus Beitrags- und Steuermitteln aufgestockt. Versicherungs- und Sozialstaatsprinzip griffen ineinander“ (Hans-Jürgen Urban in HB, 7.1.14). Doch dieses Fundament bröckelt seit Jahren: „Immer mehr Menschen droht infolge von Arbeitsunterbrechungen, Niedriglöhnen und fehlendem Versicherungsschutz eine Armutsrente. Und diverse Dämpfungsfaktoren in der Rentenformel entkoppeln die Renten von der Lohnentwicklung und entwerten langjährige Beitragsleistungen“ (ebenda). Die Probleme der Rentenkasse wurden zunehmend in die Sozialkasse umgeschaufelt, weil ja zumindest das Sozialhilfeniveau gesichert werden muss. Heute beträgt die Bruttorente eines Durchschnittsverdieners nach 45 Beitragsjahren lediglich 1.266 Euro (West) und 1.158 Euro . Nach geltendem Recht soll sie bis zum Jahre 2030 um weitere sechs Prozent sinken. Die Arbeit lohnt sich rentenpolitisch immer weniger. Immer weniger können nach lebenslanger Arbeit von ihrer Rente leben. Immer mehr werden zu privater Vorsorge in die Fänge der privaten Versicherungskonzerne getrieben – soweit sie es sich überhaupt leisten können.

Renten-Paket – eine Mogelpackung

Diese Defizite und Konter-Reformen will der Milliarden fressende Groko-Deal, nicht beheben bzw zurück nehmen. Der Deal besteht darin, dass die Union ihre Mütter-Rente bekommt und die SPD ein Schönheitspflästerchen zur Kaschierung der Rente mit 67. Bei der Mütterrente sieht der Gesetzentwurf vor, dass Mütter für Kinder, die vor 1992 geboren sind, künftig einen Rentenpunkt mehr bekommen. Das erhöht im Westen die Rente um 28 Euro, im Osten um ca. 26 Euro. Mütter von später geborenen Kindern erhalten weiterhin drei Rentenpunkte.

Die Rente mit 63 ist alles andere als eine Korrektur oder gar Rücknahme der unsozialen Eingriffe in das System der vergangenen Jahre. Bei ihr sollen Arbeitnehmer vom Juli 2014 an mit 63 Jahren abschlagfrei in Rente gehen dürfen, wenn sie 45 Jahre lang Rentenversicherungsbeiträge gezahlt haben. Zeiten der Arbeitslosigkeit sollen dabei mitgezählt werden, aber nur die Jahre, in denen Arbeitslosengeld (Alg I) bezogen wurde, nicht Alg II. Langzeitarbeitslose, die Hartz IV beziehen fallen raus – die erste Ungerechtigkeit. Benachteiligt werden auch Frauen, weil bei ihrer Berufs- und Familienbiografie eine Einzahlung von 45 Beitragsjahren viel seltener möglich ist als bei Männern. Die Rente mit 63 gilt außerdem nur für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1953 geboren wurden und deren Rente nach dem 1. Juli 2014 beginnt. Danach erhöht sich das abschlagfreie Eintrittsalter in dem Maße, wie der Übergang zur (Normal-)Rente mit 67 fortschreitet. Für Rentner ab dem Geburtsjahrgang 1963 wird die „Rente mit 63“  zur Rente mit 65 Jahren. Was früher der Regelfall war – abschlagsfreie Rente ab 65 – wird nun zum Ausnahmefall. „Wir haben´s verdient“ wirbt die IG Metall in der metallzeitung (2/2014) für die Rente mit 63. Das ist richtig: Aber verdient haben es auch lang arbeitende Frauen, prekär Beschäftigte und Langzeitarbeitslose. Sie sind gewissermaßen doppelt die Gelackmeierten: Sie verdienen weniger und fallen jetzt aus der Besserstellung als Rentner raus. „Gefordert werden 45 Versicherungs- und 35 Beitragsjahre“, schreibt Norbert Blüm (früherer Arbeits- und Sozialminister der CDU). „An dieser Hürde werden gerade die scheitern, denen Armut droht. Die sind aber von der Absenkung des Rentenniveaus am härtesten betroffen“ (SZ, 2.12.13).

Fred Schmid, isw    Foto: IGM Jugend

(Vorabdruck aus dem isw-wirtschaftsinfo 48, Bilanz 2013 – Ausblick 2014; erscheint Ende März 2014).

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