Analysen

15.06.2012: Vor dem Hintergrund der Entwicklung in Griechenland hat auch in Europa die Debatte um die Beteiligung von KommunistInnen und der Linken an Regierungen zugenommen. Dienen Linksregierungen nur der Erneuerung des Kapitalismus oder bieten sie Möglichkeiten, um an die Überwindung des Kapitalismus heranzukommen? Im Folgenden dokumentieren wir einen Beitrag von Valter Pomar auf dem Internationalen Seminar der PT Mexico im März 2012 über die Bedingungen und Erfahrungen von mehr als 10 Jahren progressiver und linker Regierungen in Lateinamerika. Valter Pomar ist Mitglied der Nationalen Leitung der PT Brasilien (Partido dos Trabalhadores) und Sekretär des Foro Sao Paolo.

In seinem Beitrag schneidet er vier Themen an:

  1. In welcher Lage befand sich die lateinamerikanische Linke im Jahr 1991;
  2. was passierte mit dieser Linken seither;
  3. wie ist ihre aktuelle Lage;
  4. wie sind ihre Perspektiven.

Zur Perspektive in Lateinamerika führt er am Ende seines Beitrages aus:

Im Falle Lateinamerikas, zum Beispiel, erweitert die Linke seit mehr als zehn Jahren ihre Beteiligung an Regierungen und tritt mit größeren oder kleineren Entscheidungen dem Neoliberalismus gegenüber, aber der Kapitalismus ist überall immer noch hegemonial.

Nachdem wir zu diesem Punkt gekommen sind, können wir das bisher Gesagte in der folgenden Form zusammenfassen. Im Jahr 1991 erlitt die lateinamerikanische Linke einen doppelten Prozess der Niederlage: erstens die Niederlage des Zyklus der Guerilla der sechziger und siebziger Jahre; nachher die Niederlage des Zyklus der Re-Demokratisierung der achtziger Jahre. Das Ende der UdSSR und der Aufstieg des Neoliberalismus verstärkten anfänglich die Niederlage, aber im Ende führten sie zur Eröffnung der dritten Periode, deren Ausgang unterschiedlich ist: Es beginnt 1998 ein Zyklus von Wahlsiegen, aus dem sich ein regional günstiges Kräfteverhältnis ergibt, und das noch anhält.

Die inneren und äußeren Bedingungen, die diesen Zyklus der Siege ermöglicht haben, erlaubten diesen Regierungen in einem ersten Augenblick, die Niveaus von nationaler Souveränität, politischer Demokratie, sozialem Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder und Bevölkerung zu erweitern. Aber im Grunde wurde zwar das Einkommen auf unterschiedliche Weise umverteilt, jedoch ohne das Wesen der Produktion und der Verteilung des Reichtums zu verändern.

In der weiteren Entwicklung setzten das Wesen der Produktion und Verteilung des Reichtums - verstärkt durch andere politische, ideologische, strategische, wirtschaftliche, soziologische, geopolitische Bedingungen - engere Grenzen für die Entwicklung von nationaler Souveränität, politischer Demokratie, sozialem Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung, als die Linke - in Regierung oder Opposition - ursprünglich erhofft hatte.

Wir sind heute in dieser zweiten Phase, die mit einer Zuspitzung der internationalen Lage zusammenfällt, die auf zwei grundlegende Weisen auf die Region zurückwirkt: einerseits wird besonders die Lage der Wirtschaft kompliziert, die vom internationalen Markt abhängen; andererseits wird der Druck der Metropole auf die Region verstärkt und beendet jene Periode einer gewissen „strategischen Unaufmerksamkeit", die bestimmte Wahlsiege erleichtert hat.

Die inneren Begrenzungen und die Änderung des äußeren Milieus führen zu einer Verschärfung  des Konflikts innerhalb eines jeden Landes nicht nur zwischen Linker und Rechter, sondern auch zwischen denjenigen sozialen und politischen Kräften, die wir zusammengenommen als »Linke« bezeichnen; sie können auch die Differenzen zwischen Regierungen der Region verschlimmern.

Wie sind nun die Perspektiven?

Man muss erstens die Auswirkung der Makro-Entwicklungen auf die Region berücksichtigen, auf die wir keinen direkten Einfluss haben: die Geschwindigkeit und die Tiefe der internationalen Krise, die Konflikte zwischen den Großmächten, die Ausweitung und die Wirkung der Kriege. Beachten muss man innerhalb dieser globalen Veränderungen diejenigen, die die Zukunft der USA betreffen: Können sie ihre globale Hegemonie wieder herstellen? Werden sie ihre Kräfte auf ihre regionale Hegemonie konzentrieren? Werden sich ihre Kräfte mit den internen Konflikten im eigenen Land erschöpfen?

Zweitens muss man das Verhalten der lateinamerikanischen Bourgeoisie berücksichtigen, insbesondere ihrer transnationalen Sektoren: Wie verhalten sie sich gegenüber den progressiven und linken Regierungen? Wie ist ihre Haltung zu den Prozessen der regionalen Integration? Welche Kapazitäten hat sie für die Konkurrenz mit der Bourgeoisie der Metropolen und für ihr Streben nach einer stärkeren Rolle auf der weltweiten Bühne? Von der 'Laune' der Bourgeoisie wird die Haltbarkeit des Wahlwegs und die Festigkeit der Mehrklassen-Regierungen abhängen. Oder umgekehrt: Das 'Fehlen der Laune' wird die Bedingungen des Klassenkampfes in der Region und in jedem Land radikalisieren.

Der dritte Aspekt ist die Fähigkeit und Aufstellung der hegemonialen Sektoren der Linken - politische Parteien, gesellschaftliche Bewegungen, Intellektuelle und Regierungen.

Die Frage ist, inwieweit diese hegemonialen Sektoren dazu bereit sind und ob es ihnen gelingen wird, die Grenzen der aktuellen Periode überwinden, und mit welcher Geschwindigkeit? Anders gesagt: inwieweit es ihr gelingt, diese neue, noch nicht bekannte, politische Entwicklung der regionalen Geschichte zu nutzen, um die Bedingungen der regionalen Integration, der nationalen Souveränität und der politischen Demokratisierung zu vertiefen sowie den sozialen Wohlstand und die wirtschaftliche Entwicklung zu verbreitern. Und die Hauptfrage: Werden sie die seit Jahrhunderten in der Region herrschenden strukturellen Grundlagen der äußeren Abhängigkeit und der Konzentration des Eigentums verändern können, oder nicht?

Wenn wir diese drei große Dimensionen des Problems berücksichtigend, können wir die Perspektiven unter drei Aspekten zusammenfassen: objektive Bedingungen, subjektive Schwierigkeiten und knappe Zeit.

Objektive Bedingungen: Ohne die negativen Alternativen, das internationale Szenario und die bestehenden Bedingungen im heutigen Lateinamerika, besonders in Südamerika, zu vergessen, entstehen zwei große positive Alternativen, nämlich ein Zyklus der kapitalistischen Entwicklung mit sozialdemokratischer Prägung und/oder ein neuer Zyklus des Aufbaus des Sozialismus. Bezüglich dieser zweiten Alternative stehen wir aus Sicht des materiellen Standpunkts relativ besser da als das Russland von 1917, das China von 1949, das Cuba von 1959 und das Nicaragua von 1979.

Subjektive Schwierigkeiten: Heute haben diejenigen die den Willen haben, nicht die Stärke, und die die Kraft haben, haben die Willenskraft nicht gezeigt, dass sie die notwendigen Maßnahmen mit der angemessenen Geschwindigkeit und Intensität durchführen, um die offenen Möglichkeiten der internationale Situation und der regionalen Kräfteverhältnisse auszunutzen. Eine wichtige Einzelheit: Es gibt weder Zeit noch Material, um eine andere hegemoniale Linke zu formen. Entweder nutzt die hegemoniale Linke, die wir haben, das offene Fenster, oder eine Gelegenheit wird verloren gehen.

Die Zeit ist knapp: Die Entwicklung der internationalen Krise neigt dazu, eine wachsende Instabilität zu erzeugen, die die Bedingungen für die Tätigkeit der regionalen Linke sabotiert. Die Möglichkeit, gewählte Regierungen zu benutzen, um signifikante Transformationen der lateinamerikanische Gesellschaften zu machen, wird nicht für immer andauern. Das seit Ende der neunziger Jahre geöffnet Fenster hat sich noch nicht geschlossen. Aber der Sturm, der sich nähert, kann dies tun.

Abschließend bekräftige ich, dass das Spiel noch nicht beendet ist; Antrieb für diejenigen welche arbeiten müssen, damit die lateinamerikanischen Linken - besonders jene die regieren, und innerhalb von diesen die brasilianische Linke - machen, was sie schuldig sind und was sie machen können. Wenn dies geschieht, werden wir die aktuelle Periode der strategischen Verteidigung erfolgreich durch den Kampf um den Sozialismus überwinden können.

Alles in Allem: Das Fenster ist immer noch offen.

Gesamter Text als Anlage

 

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mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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